Nein, einen guten Start hatte Lisa wirklich nicht. Schon während der Schwangerschaft mit unserer zweiten Tochter musste ich mehrmals wochenlang ins Krankenhaus. Ultraschallaufnahmen deuteten auf schwere Missbildungen und eine Unterentwicklung des Fötus hin. Man legte uns nahe, auf schwangerschaftserhaltende Maßnahmen zu verzichten. Ich fühlte mich wie in einem tiefen schwarzen Loch. Neben der ständigen Sorge um das Ungeborene plagten mich auch Schuldgefühle unserer älteren Tochter gegenüber, die damals erst ein Jahr alt war und während der Arbeitszeiten meines Mannes von Haushaltshilfen versorgt werden musste. Das Schlimmste aber war die Angst: Wie schwer wird unser Kind behindert sein? Wird es leben können? Phasenweise gingen die Ärzte davon aus, dass es keinesfalls älter als sechs Wochen alt würde ... Ohne den ständigen Beistand meines Mannes, meiner Mutter und meiner beiden Schwestern hätte ich das nicht durchgestanden.
Fünf Wochen vor dem errechneten Termin entschieden sich die Ärzte zu einem Kaiserschnitt, weil das Kind sich nicht weiterentwickelte. Im Kreißsaal bat ich die Hebamme, unser Kind bei akuter Lebensgefahr sofort notzutaufen. Mein Mann durfte während der Entbindung dabei sein. Auch er war extrem angespannt. Und dann ...
... hörte ich einen der Ärzte sagen: „Fit wie ein Turnschuh!“ Unsere Erleichterung und unsere Freude waren grenzenlos.
Nicht nur
an ein Wunder glauben
Nein, es sehen
mit eigenen Augen
und es in den Armen halten
voller Angst
es könnte zerbrechen
und mitfühlen
mit dem Glück der Mutter
die ihm Leben schenkt
und Geborgenheit gibt
an ihrer Brust
Conrad M.Siegers
Allerdings stand uns noch eine harte Zeit bevor. Als Frühgeborenes mit nur 1260 g Geburtsgewicht kam Lisa sofort auf die Frühgeborenen-Intensivstation, wo sie an Überwachungsgeräte, Infusionen und Schläuche angeschlossen wurde. Anfangs durften wir sie nur durch eine Öffnung im Inkubator vorsichtig streicheln. Sie lag da wie ein kleines, aus dem Nest gefallenes Vögelchen. Wegen einiger gesundheitlicher Probleme Lisas folgte eine Untersuchung der anderen, für uns Eltern jedesmal eine Nervenprobe. Erst recht brachten uns die Alarme des Herz und Atmungsmonitors fast um den Verstand, auch wenn sie sich Gott sei Dank meist als Fehlalarme erwiesen.
Nach ein paar Tagen erhielt Lisa die ersten fünf Tropfen abgepumpte Muttermilch per Magensonde. Die Menge wurde behutsam gesteigert, und sie fing an, ganz langsam zuzunehmen. Wie glücklich waren wir, dass wir von Anfang an viel Körperkontakt mit ihr haben konnten! Und nach drei Monaten, endlich, war Lisa so stabil, dass wir sie nach Hause mitnehmen durften.
Damals wussten wir noch nicht, ob Lisa behindert bleiben würde. Wegen mittelgradig schwerer zentraler Koordinationsstörungen brauchte sie intensive physiotherapeutische Behandlungen, die wir auch zu Hause durch führen mussten – viermal täglich. Und jahrelang spritzten wir ihr täglich Wachstumshormone.
Lisa blühte in unserer Obhut richtig auf und entwickelte sich prächtig. Mit eineinhalb Jahren lernte sie laufen und fing an zu sprechen. Etwas kleiner als andere Kinder, aber sehr sportlich und sozial engagiert, durchlief sie problemlos Kindergarten und Schule. Und vor kurzem hat sie ihren Schulabschluss gemacht.
Petra, 54
Welche Kinderarztpraxis hat Erfahrung mit Frühchen? Wo finden wir die nächste Eltern-Selbsthilfe gruppe? Das und viele weitere hilfreiche Informationen finden Eltern beim Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ www.fruehgeborene.de. Beim Bundesverband gibt es auch die „Nummer gegen Frühchen-Kummer“ Tel. 0800 – 875 877 0 (kostenlos).