Monatelang haben Mutter und Kind die innige Nähe beim Stillen genossen. Doch nun mehren sich die Zeichen für einen Abschied von diesem schönen Ritual.
Die meisten Eltern haben ohnehin schon nach einem knappen halben Jahr damit begonnen, die ersten Muttermilch-Mahlzeiten durch Breie zu ersetzen. Auch die Kinder selbst interessieren sich jetzt immer mehr dafür, was die „Großen“ am Esstisch genießen. Auf die Guten-Morgen- und Gute-Nacht-Mahlzeiten an Mamas Brust wollen viele aber vorerst nicht verzichten, manche sogar bis ins zweite Jahr hinein.
Auch für viele Mütter ist die Zeit des Abstillens mit zwiespältigen Gefühlen verbunden. Einerseits wird das Kind ein Stück unabhängiger, kommt jetzt mal für eine Mahlzeit ohne seine Mutter aus, weil der Papa oder die Oma es füttern können – ein Meilenstein in seiner Entwicklung, der gleichzeitig der Mama zusätzliche Freiräume beschert. Andererseits schwingt da ein Stück Wehmut mit. Das Stillen hat ihr nicht nur unvergleichlich innige Momente mit ihrem Baby geschenkt, sondern auch eine Portion Stolz als wichtigste Nahrungs- und Trostquelle. Kaum zu glauben, wie schnell das Kleine nur mit Milch aus Mamas Brust schon zugenommen hat! Stattdessen ist jetzt ein Stück Loslassen angesagt.
Ich bin Gott für dieses Kind.
Und doch
kann ich es nicht zum Schlafen bringen,
wie ich es will.
nach Nancy Fuchs
Allerdings können Mutter und Kind sich damit viel Zeit lassen – jedenfalls solange nicht medizinische oder berufliche Gründe ein schnelles Abstillen erfordern. Das gilt schon für das „Zufüttern“ des ersten Breis. Irgendwann zwischen dem fünften und dem siebten Monat, sagen Hebammen sowie Ärztinnen und Ärzte, wird’s Zeit dafür. Den genauen Start-Termin können Eltern je nach der individuellen Entwicklung ihres Babys selbst bestimmen. Danach können im Wochen- oder Monatsrhythmus weitere Gemüse-, Obst- und Milchbreie anstelle der Stillmahlzeiten folgen.
Das langsame Abstillen hat viele Vorteile: Die Verdauung des Babys kann sich nach und nach an die neue Kost gewöhnen. Der Organismus der Mutter kann das Milchangebot mit der Nachfrage allmählich zurückfahren und muss nicht abrupt von 100 auf Null abbremsen. Genauso wichtig ist die seelische Seite: Auch wenn das Baby nun zunehmend unabhängiger von Mamas Brust wird und immer häufiger zu den Familienmahlzeiten im Hochstuhl Platz nimmt, braucht es nach wie vor viel zärtlichen Körperkontakt. Gut deshalb, wenn die Mutter (oder der Vater) viel mit dem Kleinen kuschelt und das Beruhigen und Trösten nicht allein dem Schnuller oder gar dem Teefläschchen überlässt. Und auch ihr selbst tut es gut, wenn sie diesen Schritt nicht von heute auf morgen bewältigen muss und als sanften Übergang gestalten kann.
So harmonisch wie im Lehrbuch klappt das Abstillen nicht immer. Manche Babys verweigern plötzlich die Brust und stillen sich selbst ab, andere wehren sich im Gegenteil gegen jeden Versuch, sie abzustillen. Dann hilft es zu wissen: Es gibt kein „Gesetz“, wie lange Babys gestillt oder spätestens abgestillt werden sollen! Entscheidend ist allein, was den Beteiligten — Baby, Mutter und Vater — gut tut. Das gilt auch, wenn sie über den ersten Geburtstag des Kleinen hinaus ein „duales System“ von Brust- und Familienmahlzeiten praktizieren möchten. Beratung und Unterstützung finden sie bei Bedarf bei Hebammen, Kinderärztinnen und bei Stillberaterinnen (Adressen unter www.afs-stillen.de und www.lalecheliga.de).