Sonntag, 04:26 Uhr

Die Welt entdecken

Wenn der Schnuller 30-mal fällt

Lieber Papa, liebe Mama,

mein Leben mit euch ist klasse. Ihr und andere Erwachsene lacht mit mir, baut mit mir einen Turm. Ich kann schon selbstständig die Blumenerde aus dem Topf krümeln, die Bücher aus dem Regal ziehen, die Cappuccinotasse auf dem Tisch zu mir holen, 30-mal den Schnuller auf die Straße fallen lassen, mit der ganzen Hand in den Apfelbrei patschen. Das fühlt sich gut an und macht Spaß.

Durch euch habe ich schon ein bisschen gelernt, wie die Welt funktioniert, dass es Wach- und Schlaf-Zeiten, Essen und Trinken, Bekanntes und Fremdes, dass es laut und leise gibt. Und ich merke, dass man glücklich, zufrieden, ärgerlich, wütend, traurig ... sein kann, auch wenn ich es noch nicht so benennen kann.

Vieles ist mir also schon vertraut, aber oft entdecke ich auch ganz Neues. Immer öfter ziehe ich los, um meine Umwelt zu erkunden, mache Experimente und schaue, was passiert. Zum Beispiel ob die Schwerkraft wirklich jedes Mal wirkt, wenn ich den Schnuller loslasse. Oder ob es jemanden gibt, der ihn zuverlässig wieder aufhebt. Ein tolles Gefühl, wenn das funktioniert! Und manchmal will ich einfach sicher sein, dass etwas so oder so „erlaubt“ oder „nicht erlaubt“ ist, und es tut mir gut, wenn ihr dann verlässlich seid, bei eurem Nein oder Ja bleibt. So bekomme ich eine Orientierung, „wie das Leben geht“.

Vielleicht denkt ihr ab und zu, ich will euch ärgern. Aber das ist ganz sicher nicht so, das kann ich gar nicht, dafür bin ich in meiner Entwicklung noch gar nicht so weit. Ich brauche einfach nur noch mehr Erfahrung, wie die Welt funktioniert.

Schön, dass ihr an meiner Seite seid.

Eure Antonia

Liebe Antonia,


auch wir genießen es sehr, unser gemeinsames Leben mit dir! So viel entdecken wir gemeinsam. Auch unsere Welt gestaltet sich durch dich täglich irgendwie neu. Manch mal haben wir das Gefühl, wir müssen ganz schön aufpassen, um dir als Eltern ein echtes Orientierungsgeländer zu bieten. Du wirst aktiver und mobiler, probierst aus, was geht und was nicht geht. Grenzen zu setzen, die sinnvoll für dein Alter sind, ist auch für uns manchmal ein bisschen lästig, nervig oder sogar richtig anstrengend.

Oft ist es für uns alle wahrscheinlich am leichtesten, wenn die „unerlaubten“ Dinge, an denen du dir weh tun oder die du kaputt machen könntest, gar nicht in deiner Reichweite sind. Wir haben gelernt, Wörter wie „heiß“ oder „piekst!“ zu verwenden, anstatt immer nur „Nein!“ zu sagen.

Es ist manchmal gar nicht einfach, standhaft zu bleiben, wenn du zornig wirst, weil du deinen Willen nicht bekommst oder deine neuen Ideen nicht ausleben darfst. Es braucht auch Kraft, nicht nachzugeben.

Manchmal fällt es uns ganz schön schwer, dabei eindeutig zu bleiben. Wenn wir dir heute etwas erlauben und morgen „Nein!“ dazu sagen – klar, das kann dich ganz durcheinander bringen. Aber genauso wie du haben wir ja auch eine Tagesform, und die ist manchmal nicht optimal, weil vieles gerade ziemlich anstrengend ist. Und manchmal zweifeln wir selbst daran, ob wir gerade das Richtige tun, und reagieren ziemlich konfus. An einem Tag nehmen wir vielleicht ganz relaxt hin oder finden es sogar lustig, was du tust, am anderen geht es uns auf die Nerven, weil wir gerade Kopfweh haben oder so.

Das Wichtigste ist: Wir mögen uns. Solange du und wir, deine Eltern, die grobe Linie kennen, können wir miteinander auch beim Thema Erziehung Schritt für Schritt wachsen.

Deine Eltern

Ein „Nein“ des Kindes akzeptieren

Das Baby versteht jetzt einfache Sätze und Anweisungen. Es weiß, was „Nein!“ bedeutet, und versucht sogar, auch seinerseits Grenzen zu ziehen. Es merkt genau, was Mama und Papa und andere „Große“ freut oder auch enttäuscht. Wenn sie zum Beispiel begeistert in die Hände klatschen, wird es sein Stehaufmännchen weiter umhauen oder Opas Glatze kämmen. Manchmal streikt es aber auch. Wenn Eltern z. B. wollen, dass es anderen seine neuen Fähigkeiten vorführt, mag es manchmal nicht auf Abruf Artist sein. Oder es signalisiert öfter „Nein“ zu Kontakten mit Fremden. Gut, wenn Eltern dieses „Nein“ ihrer Kinder wahrnehmen und respektieren — ganz besonders, wenn es dabei um körperliche Berührungen und Liebkosungen geht (Kein Küsschen auf Kommando!). Sie bestätigen ihm damit: „Deine Gefühle sind wichtig!“

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