Nach dem ersten Geburtstag ändert sich der Alltag für viele Einjährige und ihre Eltern. Früher blieb die Familie für drei (oder mehr) Jahre „selbstverständlich“ der zentrale Schauplatz für das Leben der Kleinen. Heute sehen manche ihre Eltern und Geschwister morgens gerade mal kurz zwischen Aufstehen, Frühstück und Aufbruch zur Kita oder Tagesmutter und zum Arbeitsplatz, und auch nach „Feierabend“ bleibt vor allem vielen berufstätigen Eltern kaum Zeit mit ihrem Nachwuchs, bevor der ins Bett muss. Manche Eltern könnten da glatt vergessen: Der wichtigste Lernort für ihre Kinder ist nicht die Kita, sondern immer noch die Familie.
Denn genau wie im ersten Jahr bleiben Mama und Papa die ersten, wichtigsten und zuverlässigsten „Bezugspersonen“ für ihr Kind. Ihre Fürsorge endet nicht mit bestimmten Öffnungszeiten wie in der Kita, sondern gilt rund um die Uhr. Gerade auch wenn’s ernst wird, zum Beispiel bei Krankheiten, kann das Kind darauf vertrauen, dass die Eltern es liebevoll versorgen. Auf dieser Grundlage wächst eine tiefe Bindung von Eltern und Kind. Sie ist die Basis für das „Urvertrauen“ der Kinder in ihre eigenen Fähigkeiten und in die Welt; es schenkt Kindern Sicherheit, verleiht ihnen Mut, ihre Umwelt zu erkunden, stärkt ihre körperliche und seelische Gesundheit und prägt ihre zwischenmenschlichen Beziehungen bis ins hohe Alter. Gut, wenn Eltern ihren Kindern auch zu Kita-Zeiten so viel Zuwendung schenken, dass sie diese Erfahrung weiterhin sammeln können.
Puuh, das dauert ja ewig, bis diese Gnocchi so weit sind! Oder kommt es mir nur so vor, weil Josef in dieser Woche mal wieder ordentlich an Gewicht zugelegt hat? Wie immer wollte er sofort auf den Arm, als er mich mit den Töpfen hantieren sah, anders war sein Gequengel nicht zu stoppen. Lange schaffe ich das nicht mehr! Obwohl — eigentlich ist das schon toll, dass mein Sohn alles so spannend findet, was ich mache, mein Leben mit mir teilen, von mir lernen will. Und sein Staunen, als die Gnocchi in dem sprudelnden Wasser endlich auftauchen! Wer hat meine Arbeit zuletzt so gewürdigt?
Inga, 27
Ähnlich beiläufig machen Kinder im Zusammenleben mit ihren Eltern (und Geschwistern) noch eine andere Grunderfahrung: Sie erleben, dass sie bedingungslos angenommen und geliebt werden, unabhängig von Leistungen, Fehlern oder Schwächen. So können sie ihre Persönlichkeit mit ihren individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten frei entfalten, ohne Angst vor Ablehnung oder Ausgrenzung. Sie erleben sich als unverwechselbare Individuen, aber gleichzeitig auch als Teil einer Familie, deren Mitglieder schicksalhaft, intim und auf Dauer miteinander verbunden sind.
Über diese grundlegenden seelischen Lernprozesse hinaus vermitteln Familien ihren Kindern noch vieles mehr: Schon als Ungeborene machen sie erste Bekanntschaft mit ihrer Muttersprache, wenn Mama „draußen“ mit anderen Menschen redet. Sie sammeln Erfahrungen von Zärtlichkeit und Nähe, wenn die Eltern mit ihnen kuscheln. Sie erleben den liebevollen Umgang von Papa und Mama miteinander, spüren die Solidarität in der Familie, erfahren Geborgenheit und gegenseitiges Verzeihen. Manche erleben auch Zeiten von Sorge und Not und spüren, welche Kraft dann aus der gegenseitigen Unterstützung und dem Glauben erwächst. Ihre Eltern werden ihnen so zu Vorbildern, deren Verhaltensweisen und Kompetenzen, aber auch Haltungen und Werte sie sich zu eigen machen.
Professionelle Erziehung bietet dafür keinen Ersatz. Sie ermöglicht Kindern wertvolle Lernerfahrungen, nicht zuletzt durch den ausgedehnten Kontakt zu Gleichaltrigen. Aber: Die Eltern entscheiden, welche Kita oder Tagesmutter die richtige für ihr Kind ist, und sie können im Eltern(bei)rat über die Arbeit der Einrichtung mitentscheiden. Auch das zeigt: Die Familie bleibt die Nr. 1.