Nach dem ersten Geburtstag wartet auf viele Kinder und ihre Eltern eine neue Welt: die Krippe. Zwei Fachleute erklären, worauf es beim Start ankommt.
Was bedeutet der Start in die Kita für ein einjähriges Kind?
Für die meisten Kinder ist es die erste Ablösung von den Eltern. Sie müssen Mama und Papa gehen lassen. Stattdessen werden sie mit vielen Unbekannten, den Erzieherinnen und Erziehern und anderen Kindern konfrontiert und sollen eine Beziehung zu einer neuen Bezugsperson aufbauen. Das fällt in diesem Alter noch schwer.
Hat das „Unternehmen Kita“ auch Seiten, die Einjährige reizen können?
Ja. Kinder in diesem Alter sind ja von Natur aus darauf programmiert, ihre Umwelt zu erforschen, und da bieten die Räume und die Ausstattung der Kita viele spannende Möglichkeiten. Und vor allem finden sie bei den gleichaltrigen und zum Teil älteren Kindern Spielgefährten und Vorbilder, die ihnen beim Lernen helfen. Aber das entdecken die „Anfänger“ erst nach und nach.
Für die meisten steht also anfangs der Aspekt „Trennung“ im Vordergrund?
Das hängt natürlich sehr vom Temperament und den familiären Vorerfahrungen der Kinder ab. Manche haben tatsächlich große Angst, dass Mama oder Papa nie mehr wiederkommen, umso mehr, als sie noch keine sichere Vorstellung vom eigenen „Ich“, losgelöst von den Eltern, entwickelt haben. Deshalb versuchen wir den Übergang in die Kita sehr behutsam zu gestalten.
Was bedeutet das konkret?
An den ersten Tagen in der Krippe bleibt immer ein Elternteil, die Oma oder der Opa bei dem Kleinen. Auch wir selbst wenden uns in dieser Zeit vorrangig an die Mutter oder den Vater. Das Kind soll sehen: „Mama und Papa reden mit der Frau oder dem Mann, sie lachen zusammen; die sind okay.“ Nach und nach beschäftigen wir uns dann immer mehr mit dem Kind, aber erst wenn es eine gute Beziehung zu uns geknüpft hat, gehen die Eltern kurz ’raus. Je nach Reaktion des Kleinen dehnen wir die Trennungsphasen allmählich aus, bis das Kind die gebuchte Zeit ohne seine Eltern „schafft“.
Wie viele Tage müssen Eltern für diese Eingewöhnung einkalkulieren?
Das bestimmen weder wir noch die Eltern. Die Kinder bekommen die Zeit, die sie brauchen. Das können zehn Tage sein oder auch vier Wochen.
Hängt das auch davon ab, was bei der Familie zu Hause passiert?
Eine sichere Bindung der Kinder an ihre Eltern ist eine unabdingbare Grundlage dafür, dass sie sich bei uns in der Krippe wohlfühlen. Deshalb ist es gut, wenn Eltern jetzt besonders auf Stabilität achten, zum Beispiel morgens vor der Kita das eine oder andere Ritual pflegen, und größere Veränderungen möglichst vermeiden.
Im Gespräch:
Sabrina Kneifl, Leiterin, und
Stephan Bruhn, stellvertretender Leiter im Jan-Amos-Comenius-Kinderhaus, München-Pasing
Manche Eltern fühlen sich unsicher, ob sie ihrem Kind diesen Schritt schon zutrauen können …
…und das überträgt sich sofort auf die Kinder. Je sicherer Mütter oder Väter auftreten, desto leichter fällt den Kleinen der Übergang. Wir ermutigen Eltern deshalb, den Abschied am Morgen nicht in die Länge zu ziehen und zügig den Raum zu verlassen. Und wir versuchen, ihnen Sicherheit zu vermitteln, indem wir ihnen versprechen, sie anzurufen, wenn ein Kind wirklich untröstlich weint. Klar hat das auch mit dem Vertrauen der Eltern zu uns zu tun, und das müssen wir uns erst erarbeiten.
Wann ist die Eingewöhnung aus Ihrer Sicht gelungen?
Wenn das Kind, falls es noch Trennungsschmerz spürt und weint, sich von der Erzieherin oder dem Erzieher trösten lässt und danach neugierig den Raum erkundet, spielt und sich für die anderen Kinder interessiert. Wenn es gerne mit den anderen zusammen isst, sich von uns wickeln lässt und ohne Probleme in der Kita einschläft, fühlt es sich bei uns offenkundig wohl und sicher.