Nach dem ersten Geburtstag ihres ältesten Kindes fangen viele Eltern an, intensiver über ein zweites nachzudenken. Dahinter steht oft die Vorstellung von einer „Traumfamilie“: zwei Kinder im Abstand von zwei Jahren. Dann, so die verbreitete Überzeugung, wäre das erste bei der Geburt des zweiten (schon) „aus dem Gröbsten heraus“, andererseits könnten die beiden bei diesem Altersabstand (noch) viel miteinander spielen ...
Doch auch diese Medaille hat eine Kehrseite. Denn auch Zweijährige hängen noch sehr an ihren Eltern; die allermeisten müssen zum Beispiel noch gewickelt werden. Die zweite Schwangerschaft und die erste Zeit mit zwei Kindern könnten für die Eltern deshalb stressig werden, zumal das ältere vermutlich gerade in der Trotzphase steckt. Der kurze Abstand begünstigt außerdem die Entstehung von Rivalitäten. Also doch lieber warten, bis Nr. 1 drei oder gar fünf Jahre alt ist (wie manche Geschwisterforschung nahe legt)? Aber dann zieht sich die „Babyphase“ jahrelang hin ...
Die Schlussfolgerung aus diesem Hin und Her von Gründen liegt auf der Hand: Einen „Königsabstand“ zwischen Geschwistern gibt es nicht. Vielmehr hat jede Geschwisterfolge ihre besonderen Vor- und Nachteile. Wie glücklich Kinder damit werden, hängt vor allem davon ab, wie liebevoll und geschickt Eltern die Chancen nutzen und die Risiken vermeiden. Das gilt auch für Einzelkinder. Vorurteile, nach denen sie grundsätzlich „erfolgreicher“ oder „ichbezogener“ sind als Geschwister, gelten in der pädagogischen Forschung als widerlegt.
Keine Frage: Dass Mütter und Väter sich um eine verantwortete Elternschaft bemühen, ist für sie selbst und ihre (zukünftigen) Kinder gut und wichtig. Statt einem ganz bestimmten Bild von einer Traumfamilie zu folgen, schauen sie dabei aber besser auf sich selbst. Das heißt zuallererst: auf ihre (Kinder-)Wünsche und ihre Vorstellungen von ihrem künftigen (Familien-)Leben. „Wünschen wir uns ein zweites Kind?“ „Und später vielleicht noch mehr?“ „Trauen wir uns jetzt ein zweites Kind zu?“ „Können wir auf die Hilfe der Großeltern oder anderer Netzwerke bauen?“ „Wie steht’s um unsere beruflichen Perspektiven und die Finanzen?“
Eine Sorge, die viele junge Eltern umtreibt, erweist sich dagegen fast immer als überflüssig: dass sie nämlich bei einem zweiten Kind „ihre Liebe teilen“ müssten. Im Nachhinein bestätigen Mütter und Väter oft: Mit jedem Kind kommt ein neues Päckchen Liebe dazu. Und schon rein zahlenmäßig sorgt das zweite Kind dafür, dass das Leben der Familie sich in Zukunft noch stärker an den Bedürfnissen der Kleinen orientiert.
Schon wieder bleibt Laura stehen; gerade mal sechs, sieben Schrittchen sind wir vorangekommen. Sie hockt sich hin, schaut – und greift dann etwas von der Erde. Meine Mutter-Instinkte schlagen Alarm: Schmutz? Gift? Schnell bin ich bei ihr. Es ist „nur“ ein kleines Blütenblatt, das Laura ausgiebig in der Hand dreht, wendet und bestaunt. Hunderte davon liegen hier herum. Für Laura ist es einzigartig und kostbar.
Stefanie, 34
Ohnehin lässt sich Familienglück nur sehr begrenzt planen. So bleibt das ersehnte Kind trotz aller Planung manchmal aus. Und selbst wenn’s klappt wie erhofft: Je nach Geschlecht und Temperament der Kinder ist hinterher doch oft alles anders als erwartet. Viele Eltern kennen das schon aus der Erfahrung mit dem ersten Baby: Auch da entwickelte sich manches anders als vorher geplant oder erhofft – aber geschafft haben sie’s doch.
Wer zu viel plant und sich auf bestimmte Vorstellungen versteift, gerät deshalb in Gefahr, die Kinder und sich selbst unglücklich zu machen. Er verliert nämlich die Offenheit dafür, was Kinder wirklich sind: ein Geschenk, das seine Eltern oft auf ganz andere Weise bereichert, als sie vorher ahnten.