Klar haben wir’s lieber harmonisch. Aber manchmal muss es einfach sein. Wenn sie gelassen über die Kinderschuhe hinter der Haustür hinweggeht, die ihn fürchterlich aufregen. Wenn er schon den Urlaub gebucht hat, obwohl ein neuer Wäsche trockner viel dringender wäre. Wenn er findet, sie könnte auch mal mit ihm zum Tanzen gehen statt immer nur mit ihren Freundinnen.
Streiten ist ein wichtiger Beitrag zum Gelingen von Beziehungen. Bei aller Liebe: Auch Paare haben unterschiedliche Vorlieben, Wünsche, Einstellungen, Ideen und Erwartungen – nicht nur über Kleinigkeiten wie die Schuhe an der Haustür, sondern auch zur gerechten Teilung von Aufgaben, zu Kindererziehung, Sex, den (Schwieger )Eltern ... Immer nur „schlucken“ wäre da keine Lösung. Dann stauen sich Unzufriedenheit und Ärger auf, die Partner ziehen sich mürrisch voneinander zurück, die Beziehung gefriert zur Eiszeit. Und Streiten heißt ja nicht, sich gleich anzuschreien, einander zu „schneiden“ oder gar handgreiflich zu werden. Streiten können Paare auch anders – nämlich fair.
Das geht so:
Mira hat sich weh getan und brüllt wie am Spieß; sie wollte rückwärts die Treppe herunterkrabbeln und ist abgerutscht. Ich nehme sie hoch, setze mich mit ihr hin und wiege sie sacht in den Armen. Allmählich lässt ihr Schluchzen nach, ihr Herzschlag und ihr Atem beruhigen sich. Stille. Und dann ertönt Miras ruhiges, klares Stimmchen: „Papa, vorlesen!“
Ein Kind trösten, seinen Schmerz und Kummer lindern zu können: eine wunderschöne Erfahrung!
Detlef, 28
Denn: Beim fairen Streiten geht es nicht darum, Recht zu behalten, sondern um Lösungen, bei denen beide zu ihrem Recht kommenundsichverstandenfühlen.Eine Win win Situation nennen das die Konfliktforschenden. Ein solcher Streit ermöglicht Paaren (wieder) eine unbelastete Nähe und schafft Vertrauen darauf, auch zukünftige Konflikte zu bewältigen.
Übrigens: Vielerorts werden Trainingsangeboten, in denen man faires Streiten üben kann. Infos gibt es unter www.epl-kek.de.
Kinder haben feine Sensoren: Sie spüren jede Spannung in ihrem Umfeld, egal ob sie offen ausgetragen wird oder unausgesprochen im Raum steht. Deshalb hilft es wenig, wenn Eltern ihnen nur die harmonischen Seiten des Familienlebens zeigen und jeden Streit von ihnen fernhalten wollten. Im Gegenteil: Die Ungewissheit, was zwischen Mama und Papa eigentlich gespielt wird, verunsichert und verstört Kinder nur noch mehr.
Kinder dürfen also ruhig mitbekommen, dass ihre Eltern ab und zu uneins sind. Vorausgesetzt, sie gehen nicht blindwütig aufeinander los. Wenn die Fetzen fliegen und Eltern sich gegenseitig niedermachen, drohen Kindern tatsächlich schwere seelische Schäden. Anders, wenn Mama und Papa ihre Meinungsverschiedenheiten fair austragen. Dann erleben Kinder erstens: Es ist normal zu streiten, auch wenn man sich lieb hat. Zweitens: Es gibt auch beim Streiten Regeln und Grenzen. Und drittens: Jeder Streit endet mit einer Versöhnung. Solche Erfahrungen mit einer guten Streitkultur machen ihnen Mut, künftige Konflikte mit anderen meistern zu können, und liefern ihnen sogar ein Vorbild für ihre späteren erwachsenen Partnerschaften.