Eigentlich wollte Mama schon längst zu Hause sein und das Formular fürs Finanzamt ausfüllen. Aber dann wollte Lisa raus aus dem Kinderwagen und selbst laufen. Und entdeckte prompt den Laubhaufen. Wie das raschelt und knistert! Wie die Blätter im Wind wirbeln und beim Herunterfallen schaukeln! Sogar Mama, die zuerst nervös auf die Uhr schaute, hat die Zeit vergessen und spielt mit.
Im Zusammenleben von Eltern und kleinen Kindern prallen Welten aufeinander: hier die der Erwachsenen, von Aufgaben, Pflichten und Terminkalendern geprägt, da die der Kinder, in der alles neu und nichts selbstverständlich ist. Mütter und Väter haben dann zwei Möglichkeiten: Sie beharren auf ihren Prioritäten und riskieren nervtötendes Quengeln und das unangenehme Gefühl, dass sie den Bedürfnissen der Kleinen nicht gerecht werden – was sich (leider) manchmal nicht umgehen lässt. Oder sie gehen auf Augenhöhe mit ihren Kindern – und sehen die Welt plötzlich (wieder) mit anderen Augen.
Wir könnten Menschen sein.
Einst waren wir schon Kinder!
Wir sahen Schmetterlinge,
wir standen unter dem silbernen Wasserfall.
Wir sahen den huschenden Glanz
im Innern der Muschel.
Wir sahen alles,
wir hielten die Muschel ans Ohr;
wir hörten das Meer.
Wir hatten Zeit!
Max Frisch
aus: Gesammelte Werke,
Suhrkamp Verlag
Es ist die grenzenlose Neugier der Kinder auf das Leben, die Langsamkeit und Selbstvergessenheit, mit der sie die Welt beobachten, wovon Eltern viel lernen können. Auf den ersten Blick mag ihr Horizont eng erscheinen; aber auf den zweiten steckt er voller Farbe, Fröhlichkeit und Wunder.