in der Kita und bei der Oma klappt das ganz selbstverständlich: Da stellt Lisa ihre Straßenschuhe ordentlich an den vorgesehenen Platz und räumt nach dem Essen Teller, Becher und Besteck routiniert in die Spüle. Nur zu Hause scheint sie ihre Selbstständigkeit an der Wohnungstür abzugeben. Was mich jedesmal wieder ärgert. „In der Kita kannst du’s doch!“ rutscht es mir dann öfter heraus (durchschlagend erfolglos). Warum klappt das bei uns nicht? Verwöhne ich Lisa zu sehr? Bin ich nicht konsequent genug? Beim Aufräumen am Abend wird sich das Spiel vermutlich wiederholen.
Je länger ich darüber nachdenke, desto fragwürdiger erscheint mir mein Vorwurf allerdings. Woher kommt diese Unzufriedenheit, die sich manchmal bis zur Wut auf Lisa oder gegen mich selbst steigert? Warum setze ich sie (mit ihren knapp zwei Jahren!) so unter Druck, dass sie sich womöglich verletzt oder bestraft fühlt? „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“, sagt der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard. Warum freue ich mich nicht einfach daran, wie gut Lisa sich anderswo schon benimmt? Und gönne ihr, dass es zu Hause lockerer zugehen darf? Schließlich lasse ich dort auch selbst manchmal fünf gerade sein. Und meine Tochter könnte mit Fug und Recht sagen: „Im Büro kannst du’s doch, Papa!“