Jeden Morgen das gleiche Theater. Mehrmals hat der Vater Joana schon ermahnt: „Mach dich bitte fertig! In 30 (20, 15, 10 …) Minuten müssen wir los zur Kita, sonst komme ich nicht pünktlich in die Werkstatt.“ Aber im Grunde seines Herzens spürte er von Anfang an: Am Ende muss er seine trödelnde Tochter wieder selbst in Schuhe, Jeans und Jacke zwingen. Und er weiß: Er erreicht damit sein Ziel, aber als „Sieger“ wird er sich nicht fühlen. Im Gegenteil: Seine Laune sinkt erst einmal auf Null.
Je deutlicher Zwei- und Dreijährige ihren eigenen Willen entdecken, desto öfter reiben sie sich an den Vorgaben der Eltern. Sie wehren sich gegen deren Zeitpläne und „trödeln“. Oder sie „machen Chaos“ und streiken, wenn sie aufräumen sollen. Die Weigerung der Kleinen mitzuspielen empfinden die Großen ihrerseits als Herausforderung, vor allem wenn sie selbst unter (Termin-)Druck stehen. Also schaukelt der gegenseitige Ärger sich hoch und droht schließlich zu explodieren … Der Verlierer steht bei Machtkämpfen von vornherein fest: das Klima in der Familie. Deshalb zahlt auch der vermeintliche „Sieger“ einen hohen Preis: Er muss damit rechnen, dass das Hickhack bei nächster Gelegenheit erneut ausbricht. Denn Kinder gewinnen dabei den Eindruck: (Nur) Der Stärkere hat Recht. Gut deshalb, wenn Eltern es schaffen, frühzeitig aus der Eskalation auszusteigen.
Joanas Vater zum Beispiel könnte
Mit der Entschärfung der akuten Gefahr allein ist es allerdings nicht getan. Vor allem wenn Machtkämpfe sich ständig wiederholen, müssen Eltern den Ursachen auf den Grund gehen: Ist Joana noch damit überfordert, sich allein anzuziehen? Oder einfach zu müde? Will sie selbst bestimmen, was sie anzieht (statt der Sachen, die die Mutter ihr hinlegt)? Fühlt sie sich übersehen, wenn die Eltern beim Frühstück stumm Zeitung lesen? Hat sie Ärger in der Kita?
Je nachdem könnten die Eltern die Abläufe am Morgen in Joanas Sinn verändern und so weiteren Machtkämpfen den Boden entziehen.