Samstag, 18:11 Uhr

Familien-Politik

Taten statt schöner Worte

Familien-Politik

Politiker nennen es „strukturelle Rücksichtslosigkeit“ des öffentlichen Lebens gegenüber den Bedürfnissen von Familien; andere sprechen klipp und klar von Familienfeindlichkeit. Eltern bekommen sie zu spüren, wenn sie eine familiengerechte und bezahlbare Wohnung suchen, wenn sie einfordern, dass ihre Erziehungsleistung als gleichwertiger Beitrag zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, und Pflegeversicherung berücksichtigt wird, oder wenn sie versuchen, Familie und Beruf so unter einen Hut zu bringen, dass die altersgemäßen Bedürfnisse ihrer Kinder dabei nicht zu kurz kommen. Statistisch untermauert werden diese Erfahrungen – unter anderem – durch Untersuchungen von Sozialforschern, die Kinder als „Armutsrisiko“ für ihre Eltern ermitteln. Alle Reden gutwilliger PolitikerInnen haben daran bisher nichts geändert. Dagegen haben viele Beispiele von Bürgerinitiativen, kirchlichen und anderen Verbänden gezeigt: Damit den Worten Taten folgen, müssen die Betroffenen selbst, also die Eltern, sich dafür stark machen. Das heißt: ihre Anliegen in der Öffentlichkeit genauso nachdrücklich vertreten wie Gewerkschaften, Bauern und andere Interessengruppen. Sie stärken damit zugleich die Politiker- Innen, die sich konsequent für Familieninteressen einsetzen.  

Zwei Hindernisse halten besonders junge Eltern davon ab:

  • Sie haben meist alle Hände voll zu tun, um ihre Kinder zu versorgen und ihre berufliche Existenz aufzubauen. Für politisches Engagement bleibt daneben kaum Kraft und Zeit.
  • Sie haben keine Erfahrung mit „Politik- Machen“ und fühlen sich dem Wissen und der Redegewandtheit von Politikern und Fachleuten unterlegen. 

Aber: Politik wird nicht nur in Berlin gemacht. Vieles, was das Leben von Familien beeinflusst, entscheiden Stadträte und Bezirksparlamente: von den Preisen fürs Hallenbad über das Angebot von „Stadtranderholungen“ bis hin zum Bau von Fußgängerampeln und familienfreundlichem Wohnraum. Und in diese Diskussionen können Mütter und Väter ein Praxiswissen einbringen, das kein „Experte“ abstreiten kann – ihre Erfahrungen aus dem tagtäglichen Familienleben. Anders als viele Partei- und Verwaltungsprofis erleben sie nämlich hautnah, ob ein Spielplatz den Bedürfnissen der Kinder in der Nachbarschaft genügt, ob der Weg zur Bushaltestelle zu weit und zu gefährlich ist oder wie viel unzufriedener ihre Söhne und Töchter aus dem Kindergarten heimkommen, seit die Stadt die Gruppenstärke kurzerhand von 25 auf 30 erhöht hat. Ihre ersten Schritte in die Politik unternehmen viele Mütter und Väter deshalb gleich in der unmittelbaren Umgebung, zum Beispiel mit einer Nachbarschaftsinitiative für eine „Spielstraße“ oder im Elternbeirat des Kindergartens. Wenn andere Eltern dabei am gleichen Strang ziehen, macht das den Anfang leichter; außerdem lässt sich die Arbeit so auf mehrere Schultern verteilen. Und es lohnt sich, wenn Eltern sich schlau machen: Gibt es anderswo Vorbilder? Welche Lösungen können wir uns vorstellen? Wie viel Arbeit und Geld kostet das? Und wie können wir es den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung am besten nahebringen und sie effektiv zum Handeln auffordern?  

Edelstein

Sommerduft

Frisches Heu? Sonnencreme? Seit gestern duftet der Sommer für mich ganz anders. Marie, die den halben Nachmittag lang mit den Nachbarskindern in der Sonne gespielt hatte, kuschelte sich leicht verschwitzt und ein bisschen müde auf meinen Schoß, und als ich sie auf den Scheitel küsste, roch ich es. Als hätten ihre Haare die Sonne gespeichert!

Kerstin, 34

Bei der Klärung solcher Fragen leisten Familienbildungsstätten oft gute Dienste. Familienverbände wie der Familienbund der Katholiken (www.familienbund.org) oder der Kinderschutzbund vor Ort helfen Eltern weiter und agieren gemeinsam mit Familien auf der politischen Bühne. Mancherorts bieten sich die Familienausschüsse von Pfarrgemeinderäten oder ein „Lokales Bündnis für Familie“ als Ansprechpartner an (www.lokale-buendnisse-fuer-familie.de). Wie wichtig es ist, die Situation von Familien, ihre Bedarfe und Leistungen in den Fokus zu rücken, ist in der Corona Pandemie noch einmal besonders deutlich geworden.

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