„Ich habe ein Bild gemalt, das ist jetzt in meinem Portfolio“, erzählte meine Enkelin Lea mir auf dem Heimweg vom Kindergarten. „Wo bitte?“, schoss es mir durch den Kopf; erst im letzten Moment kriegte ich die Kurve und wandelte die Frage um: „Toll, und was hast du gemalt?“ Zu Hause klärte meine Tochter mich auf: „Ja, jedes Kind hat ein Portfolio. Für Bilder, die es gemalt hat, Fotos von Duplo-Bauten und so weiter.“
Werde ich alt? „Portfolio“ gehörte bisher nicht zu meinem aktiven Wortschatz; ich verbinde damit nur Aktienpakete. Ach ja, unser Sohn hat jüngst zu einer Bewerbung ein „Portfolio“ eingereicht. Die Bilder unserer Kinder kamen zu deren Kindergarten-Zeit schlicht in eine Mappe.
Namen sind für mich mehr als Schall und Rauch. „Portfolio“ empfinde ich als Ausdruck eines Denkens, dem es um messbare Leistungen und Leistungsnachweise geht. Jetzt also schon in einem Alter, in dem es zuallererst auf verlässliche Beziehungen ankommt? Darauf, dass Kinder in Ruhe und Muße spielen und sich entwickeln können und, wenn nötig, auf dem Schoß der Erzieherin Trost finden. Das war uns früher wichtiger als der Inhalt jeder Mappe, pardon: eines „Portfolios“. Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht.
Ich wünsche meiner Tochter (und meiner Enkelin) eine große Portion Gelassenheit.
Ihr
Hubert Heeg