Die Lebens- und Erziehungsstile von Familien sind heute sehr vielfältig. Allgemein anerkannte Muster und Vorbilder gibt es kaum noch, und selbst wenn Vater und Mutter in wesentlichen Dingen einer Meinung sind, kommen Kinder mit wachsendem Alter mit unterschiedlichen Lebensstilen und Einflüssen in Berührung.
Eltern-Kind-Gruppen und Kitas vergrößern die Zahl von unterschiedlichen Lebensweisen noch, die Kinder kennenlernen. „Wieso isst Yunus keine Würstchen? Warum darf Katja länger aufbleiben? Warum gehen wir sonntags oft in die Messe, Sven und seine Eltern aber nicht? Wieso lebt Mias Papa nicht bei Mia und ihrer Mama?“ Und so weiter …
Muss ein Kind da nicht die Orientierung verlieren? Im Prinzip ja. Doch Unterschiede zu erleben eröffnet Kindern zugleich eine wichtige Lernchance: einen eigenen Standpunkt zu beziehen und Toleranz gegenüber anderen Lebensweisen einzuüben. Das geht am einfachsten, wenn Eltern selbst einen eigenen Standpunkt haben und ganz selbstverständlich praktizieren, ohne die Verhaltensweisen von anderen abzuwerten und ohne sich von allem und jedem verunsichern zu lassen. Ihr konkreter Lebensstil vermittelt sich den Kindern dann ohne viele Worte wie von selbst. „Bei uns machen wir das aus diesem Grund so. Und wenn andere das anders machen, haben sie dafür sicher auch einen Grund. Das ist dann für sie okay, aber nicht für uns.“ So kann eine selbstbewusste Elterndevise lauten. Dass das Zusammenleben mit anderen trotzdem funktionieren kann, lernen Kinder im alltäglichen Miteinander einer Kindergruppe – solange alle ein paar grundlegende Regeln einhalten, um dazugehören zu können.
Auf dem Hof spielen die Nachbarskinder in der Sonne „Hüppekästchen“. Gerade wirft ein Junge das Steinchen in die Kreidefelder, die sie auf das Pflaster gezeichnet haben – und plötzlich kribbelt es in meinem rechten Fuß. Am liebsten würde ich auch gleich loshüpfen … Wie lange habe ich an diese Kindheitsspiele nicht mehr gedacht? Jetzt öffnen sich auf einen Schlag die Erinnerungsschleusen, und ich freue ich mich schon auf den Tag, an dem Emilia alt genug sein wird und ich mit ihr Gummitwist, Seilspringen und „Hüppekästchen“ spielen darf.
Gertie, 36
Ein eigener Standpunkt und Lebensstil lässt sich jedoch schwer allein und gegen alle Welt aufrechterhalten und weitervermitteln. Eltern fällt das weitaus leichter, wenn ihnen Gleichgesinnte und Stützen „von außen“ dabei helfen. Das gilt heutzutage insbesondere für die Vermittlung religiöser Werte und Verhaltensweisen. Entscheidende Hilfen leistet dabei ein katholischer Kindergarten, in dem religiöse Feste und Bräuche bewusst gefeiert werden. Mancherorts finden sich hier auch Mütter und Väter zusammen, um sich auch außerhalb der Einrichtung zu unterstützen, zum Beispiel in Alleinerziehenden-Gruppen. Andere Eltern engagieren sich in (politischen) Gruppen, um sich für soziale Gerechtigkeit im Stadtviertel, die Integration von Migranten oder eine nachhaltige Klimapolitik einzusetzen. Und wo Kinder erleben, dass auch andere Familien den Sonntagsgottesdienst besuchen und auch sonst viel gemeinsam miteinander unternehmen, kann eine christliche Gemeinde zur zweiten Heimat werden.