Die meisten vierjährigen Kinder können einen Kreis abzeichnen, „Junge“ und „Mädchen“ unterscheiden, auf- und zuknöpfen, eine kleine Geschichte nacherzählen, aus einem Wort ein „a“ heraushören. Aber was ist, wenn sie das alles oder einiges davon noch nicht können?
Wenn ein Kind nicht in allen Bereichen so weit entwickelt ist wie die Gleichaltrigen, ist das kein Grund zur Panik. Jedes Kind hat seinen eigenen Rhythmus; das können Eltern allein schon am körperlichen Wachstum ablesen. Manchmal gibt es einen Stillstand, dann kommt wieder ein plötzlicher Wachstumsschub. Ähnlich scheint es manchmal mit der Sprache überhaupt nicht voranzugehen – aber gleichzeitig entwickelt sich das Kind in seinen Bewegungsabläufen rasant. Es scheint dann so, als ob es dafür alle Energie benötigte. Es geht also nicht um ganz bestimmte Fähigkeiten, die ein Kind in einem bestimmten Alter haben muss. Erst das Gesamtbild, die gesamte Entwicklung lassen erkennen, ob sich ein Kind „normal“ entwickelt.
Und ganz grundsätzlich gilt: Bevor Eltern ungeduldig werden und ihr Kind unter Druck setzen, damit es so schön malt oder so weit springt wie das Nachbarkind, ziehen sie besser Fachleute zu Rate. Als erste Ansprechpartnerin bietet sich die Erzieherin im Kindergarten an, die, anders als die Eltern, eine Vielzahl von Kindern und alle möglichen Entwicklungsverläufe erlebt hat. Ungeschicktes Malen oder Hantieren könnte zum Beispiel (auch) auf Probleme mit den Augen hinweisen; alle „Förderung“ nützt dann überhaupt nichts. Zunächst muss also ein Arzt klären, ob Auffälligkeiten eine körperliche Grundlage haben.
Entwicklungsauffälligkeiten oder -störungen können auch eine Reaktion auf schwierige, belastende Erlebnisse von Kindern sein. Ein Umzug, Probleme in der Familie oder auch die Geburt eines Geschwisterchens können verunsichern. Oft führt das dazu, dass ein Kind neue Entwicklungsschritte nicht riskiert und sich lieber an das klammert, was es schon gut kann.
Wie stolz Sina die Krone trägt, die ich ihr zum Geburtstag gebastelt habe! Unsere Prinzessin … Okay, seit sie da ist, muss ich auf manches verzichten, mir fehlt vor allem Zeit für mich selbst; vorher hätte ich das nicht geglaubt. Aber ich spüre auch: Ich hab’ das gut hingekriegt. Sina hat sich gut entwickelt, ist ein aufgewecktes, freundliches Kind. Ja, ich bin stolz auf mich; ich bin eine gute Mutter!
Leonie, 28
Ob es nun um Wahrnehmung, Bewegungsabläufe oder um Sprache geht: Sicherheit und den Mut, mehr zu riskieren, vermitteln Eltern Kindern am besten, indem sie auch kleine Schritte anerkennen. Dagegen verunsichern Kritik, Ungeduld und Vergleiche mit anderen Kindern nur noch mehr.
Manchmal brauchen Kinder eine gezielte Förderung. Dann verschreibt der Arzt eine Ergotherapie – Übungen, die spielerisch wirken, die aber Wahrnehmung und Konzentration fördern. Oder eine Erziehungsberatungsstelle bietet Spieltherapie oder ein spezielles Wahrnehmungstraining an. Wichtig ist dabei auf jeden Fall eine enge Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen im Kindergarten; umso wirkungsvoller können alle, die nahen Kontakt mit den Kindern haben, ihnen helfen, ihre Schwierigkeiten zu überwinden.