Donnerstag, 10:25 Uhr

Gewalt unter Kindern

Stopp! Das geht zu weit

„Das war Maik!“ Zum x-ten Mal kommt Sven mit blutverschmiertem Shirt aus der Kita. Maik habe ihn „einfach“ zu Boden gerissen und ihm beim Rangeln mit dem Kopf die Nase blutig gestoßen; er selbst habe vorher „nichts getan“, beteuert Sven.

Jacqueline macht sich einen Spaß daraus, kleineren Kindern die Hosen ’runterzureißen und das weinende Opfer dann zu hänseln. Lena will deshalb nur noch in Latzhosen zum Spielplatz, andere Kinder wollen überhaupt nicht mehr hin.

Sina will neuerdings nicht mehr mit Nachbars Ole spielen. Auf Nachfragen druckst sie erst herum und erzählt dann: Ole hat beim Doktorspielen versucht, einen Legostein in ihren Po zu drücken, sogar noch als Sina sich wehrte und weinte.

Svens, Sinas, aber auch Jacquelines und Oles Eltern sind entsetzt: Wie kommen die Kinder nur auf diese Ideen? Warum gehen sie so aggressiv auf andere los? Zeichnen sich da gar zukünftige Gewalttäter ab?

Nein. Die wichtigste Regel kennt jedes Kindergartenkind jetzt schon: „Wir streiten nicht mit den Fäusten, sondern mit Worten.“ Sich daran zu halten, fällt ihnen jedoch noch schwer. Die Faust ist eben schneller, als sie die passenden Worte gefunden haben. Und manchmal macht es solchen Spaß, andere zu ärgern! Aber wo ist die Grenze, wo hört der Spaß auf?

Weil Vier-, Fünfjährige das noch nicht so genau wissen, brauchen sie die Erwachsenen als Korrektiv. Erwachsene, die ihnen sagen. Stopp! Das geht zu weit. Stopp! Das tut dem anderen weh!

Atempause

Gott des Friedens,
was ich zurzeit erlebe,
geht über meine Kraft
und ich drohe außer mir zu geraten.

Stärke mich mit deinem Geist,
dass meine Seele den inneren Frieden nicht verliert
und ich in Freiheit handlungsfähig bleibe:

Lass mich mit der Zunge Frieden bewahren,
in meinem Denken nicht aggressiv werden,
in meinem Herzen nichts Böses wünschen
und die Fassung nicht verlieren.

Lass mich klar und gut reagieren,
befreiend für mich
und für jene, die mir zusetzen.

Niklaus Kuster
aus: Martina Kreidler-Kos / Nikolaus Kuster /
Ancilla Röttger (Hg.): Mein Leben leuchten lassen.
Heute beten mit Klara und Franz von Assisi,
© Patmos Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern 2015.
www.verlagsgruppe-patmos.de

Damit diese Botschaft wirkt, brauchen ­Kinder „Impulskontrolle“: Sie müssen der Versuchung widerstehen, sich bei aggressiven Regungen sofort handgreiflich auf andere zu stürzen. Dazu gehört

  1. die Sicherheit, dass sie ihren Bedürfnissen auch mit gewaltlosen Mitteln (erfolgreich) Gehör verschaffen können. Wie das geht, müssen die Großen ihnen vorleben und erklären.
  2. Empathie, also die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Wie würde ich mich selbst fühlen, wenn ich mit heruntergezogener Hose vor anderen stünde und ausgelacht würde? Oder wenn andere mich beim Spielen ausgrenzen? (Auch unter Kindern funk­tioniert „Gewalt“ nicht nur ­körperlich!)

Die Entwicklung von Impulskontrolle erfordert eine hohe Aufmerksamkeit und klares Eingreifen der Erwachsenen, Unterstützung beim gewaltfreien Lösen von Konflikten und geduldiges „Nachbearbeiten“ von grenzverletzendem Verhalten, aber auch die Ermutigung, Gefühle und Bedürfnisse offen auszudrücken und, wenn nötig, laut und deutlich „Nein“ zu sagen. Gut auch, dass Svens, Sinas, Jacquelines und Oles Eltern sich miteinander und der Kita-Leitung zusammentun und über Aufsichtspflicht und den angemessenen Umgang mit Grenzverletzungen einigen wollen. Umso eher können sie auch ihre Kinder davon überzeugen.

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