„Guck mal, Mama!“ Stolz präsentiert Franzi ein Stück Wellpappe, auf dem sie alles Mögliche aufgeklebt, gesteckt und knallig übermalt hat: Korken, Puzzleteile, Tortenspitze, Tannenzapfen, Halma-Männchen, ein Katzenfoto … Die Mutter betrachtet das Werk eher ratlos: „Was soll das denn sein?“
Noch mehr wundert sie sich, als sie kurz darauf in einer Galerie die „Material-Collage No. 8“ eines Künstlers sieht – fast wie Franzis Klebe-Orgie!
So wie Franzi verblüffen Kinder ihre Eltern auch auf anderen Gebieten. Zum Beispiel sprachlich: Weil Tom das Wort „Salami“ fehlt, fragt er nach „Pizzawurst“. Oder beim Spielen: Weil sie keinen Ball finden, spielen Jens und Anne mit dem Teddy „Abtreffen“. Vielen Erwachsenen geht so etwas gegen den Strich: „Dazu ist der Teddy doch nicht da!“
Dabei finden die meisten Kreativität prima. Sie schicken ihre Kinder zur Musikschule, in Mal- und Töpferkurse. Und Kindergärten messen sie daran, wie viele „schöne“ Bastelarbeiten das Kind mit nach Hause bringt. Doch dagegen wehren sich viele Erzieherinnen und Kursleiterinnen energisch. Sie verstehen Kreativität anders: nicht als Beherrschung dekorativer Techniken, sondern als Fähigkeit, ungewöhnliche Lösungen zu finden, beim Denken und Handeln eingefahrene Bahnen zu verlassen. Zukunftsforscher sehen darin eine „Schlüsselqualifikation“ für Beruf und Gesellschaft.
Um diese Fähigkeit zu entwickeln, brauchen Kinder
Und nicht zuletzt: verständnisvolle Eltern, bei denen auch ein Haus mit Rädern auf einem Bild „richtig“ ist, die ihren Kindern Mut zum Ausprobieren machen und selbst nicht immer dasselbe tun wie alle.