Donnerstag, 10:14 Uhr

Gegen sexuelle Gewalt

Macht die Kinder stark!

Gegen sexuelle Gewalt

„Mama, der Jost hat mir heute nach dem Fußball in der Dusche gezeigt, wie ich meinen Penis ganz groß zaubern kann. Das war lustig!“

Solche Erzählungen ihrer Kinder lassen bei Eltern (hoffentlich) alle Alarmglocken läuten. Wer ist Jost? Ist er gleichaltrig oder deutlich älter als unser Sohn? Fand Henrik Josts Vorführung wirklich nur lustig? Oder hat sie ihn auch überrumpelt oder erschreckt? Fühlte er sich bedrängt? Macht ihm das Erlebnis noch zu schaffen? Gut, wenn die Mutter diesen Fragen in einem einfühlsamen Gespräch mit Henrik nachgeht und aufmerksam zuhört.

Die immer wiederkehrenden Nachrichten über sexuelle Gewalt an Kindern machen Eltern große Angst. Wie können sie ihre Töchter und Söhne davor schützen?

Klar ist: Mit pauschalen Warnungen vor „bösen Fremden“ ist es nicht getan. Denn: Ständige Warnungen machen Angst, und Angst macht unsicher – aber gerade unsichere Kinder locken potenzielle Täter an, denen es nämlich vor allem darum geht, sich überlegen zu fühlen und Macht auszuüben. Und: In den meisten Fällen sind die Täter nicht fremde Männer auf dem Spielplatz, sondern „gute“ Bekannte der Kinder: Eltern, Großeltern, Verwandte, Nachbarn, Sport- oder Musiklehrer, aber auch ältere Kinder oder Jugendliche. Und manchmal, ungefähr in jedem 10. bis 20. Fall, sind es auch Täterinnen.

Ob ein Kind zum Opfer wird, hängt nicht nur davon ab, ob es zur falschen Zeit am falschen Ort mit einem möglichen Täter zusammentrifft. Kinder sind auch unterschiedlich fähig, mit kritischen Situationen umzugehen. Am besten geschützt sind sie, 

  • wenn sie selbstsicher sind und ihren Gefühlen vertrauen – auch weil ihnen Empfindungen nicht ausgeredet wurden („Das tut doch nicht weh.“ – „Du brauchst keine Angst zu haben.“),
  • wenn sie positiv zu ihrem Körper, zu körperlichen Berührungen und ihrer (kindlichen) Sexualität stehen und frei darüber sprechen können. Dazu gehört auch, dass sie die korrekten Namen aller Körperteile kennen,
  • wenn sie ihren Bezugspersonen fest vertrauen und von ihnen bei Problemen und Unsicherheiten ernst genommen werden,
  • wenn sie „emotional satt“ sind, ihre Bedürfnisse nach körperlicher Nähe und Zuwendung also in der Familie gestillt werden. Ein emotionaler „Hunger“ dagegen macht es schwer, die Zuwendung eines Erwachsenen als gut und wohltuend oder als übergriffig zu unterscheiden.

Es gilt also, Kinder stark zu machen. Das heißt: sie zu befähigen, über sich und ihren Körper selbst zu bestimmen und sich gegen unerwünschte Berührungen zu wehren. Sie haben das Recht, „Nein!“ zu sagen, sogar gegenüber den eigenen Eltern.

Mehr zur Vorbeugung gegen sexuelle Gewalt steht im thematischen Elternbrief „Was tun gegen sexuelle Gewalt“ (Download unter www.elternbriefe.de). Dort finden Eltern auch hilfreiche Adressen.

Wichtig ist auch: Kinder brauchen die Sicherheit, dass sie ihren Eltern alles erzählen können, ohne Angst davor, dass sie schimpfen oder ihnen böse sind. Umgekehrt brauchen ihre Eltern ein feines Ohr dafür, wenn ihren Nachwuchs irgendetwas bedrückt. Erwachsene, die in ihrer Kindheit oder Jugend selbst Opfer von sexueller Gewalt waren, sind im Rückblick oft fassungslos darüber, dass ihre Eltern und andere Vertraute das nicht bemerkt und ihre Hinweise nicht verstanden haben. Vor allem verwandte oder jedenfalls vertraute Täter stürzen die betroffenen Kinder nämlich in einen Zwiespalt, der es ihnen schwer macht, eindeutige Hinweise zu geben. Zumal die Täter sie oft einschüchtern: „Du darfst niemandem etwas davon erzählen. Deine Mama würde das nicht überleben.“

Übrigens: Schutz vor sexuellem Missbrauch brauchen nicht nur die eigenen, sondern auch andere Kinder. Gut deshalb, wenn Eltern auch bei auffälligen Beobachtungen in ihrer Nachbarschaft nicht wegschauen, sondern handeln!

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