Es ist schwierig, zugegeben. Morgens muss mein Mann eine Stunde früher ’raus als die Kinder, mittags kommen die meisten gar nicht oder nur kurz zu unterschiedlichen Zeiten nach Hause, abends muss heute der zum Training, morgen die zum Chor. Das geht uns nicht anders als anderen Familien. Wie soll sich die Familie da noch zu gemeinsamen Mahlzeiten zusammenfinden?
Schade. Auf Reisen habe ich in vielen Kulturen erlebt, wie sehr das gemeinsame Essen die Verbundenheit untereinander stärkt. Und ich beobachte, wie gerade kleinere Kinder es genießen, Mama und Papa am Esstisch ganz für sich zu haben. Zwar verliert sich das ein wenig, wenn sie älter werden, doch meine Erfahrung ist: Bei Jugendlichen steht der Esstisch als Forum für heiße Diskussionen über das Leben, Gott und die Welt wieder hoch im Kurs. Diese Chance will ich meinen Kindern nicht verbauen, und deshalb halte ich an einem Gerüst von gemeinsamen Mahlzeiten fest, auch wenn mal der, mal jener Platz frei bleibt.
Unter der Woche sind das Frühstück und Abendessen. Okay, der Wecker der Kinder klingelt deswegen 30 Minuten früher als bei manchen ihrer Mitschülerinnen. Aber sie bis zum letzten Drücker schlafen zu lassen und ihnen nur ein Brötchen für den Schulweg in die Hände zu drücken, weigere ich mich; gelegentliches Morgenmuffeln beim Frühstück nehme ich dafür in Kauf. Und siehe da: Noch hat niemand gegen diese Praxis gemeutert.
Beim gemeinsamen Abendessen passiert es uns immer wieder, dass wir ins Jammern kommen über all die blöden Alltagserlebnisse: die nervige Chefin, der doofe Lehrer, die beste Freundin, die nie Zeit hat. Wir haben jetzt vereinbart: Wenn das einem / einer von uns zu viel wird, hebt er / sie die Hand und es muss eine Runde etwas Positives vom Tag erzählt werden. Und sei es nur das Spüren der Sonne im Gesicht in der Mittagspause!
Tobias, 34
Und abends: Da bleibt nach der Arbeit und allfälligen Besorgungen oft nur wenig Zeit fürs Kochen. Dann darf’s – bei allem Wert, den ich sonst auf gesundes Essen lege – auch mal was Schnelles aus der Kühltruhe oder, wenn unverhofft Gäste im Haus sind, vom Pizza-Service sein. Hauptsache, wir sitzen zusammen (ohne Smartphone und TV), die Kinder können loswerden, was sie tagsüber begeistert, aufgeregt oder geärgert hat, und alle fühlen sich hinterher in ihrem Mit- und Füreinander gestärkt.
Die besten Chancen, gemeinsam zu essen, bieten natürlich die Wochenenden. Das fängt oft mit dem Einkauf (in wechselnder Besetzung) auf dem Wochenmarkt an, geht weiter in der Küche, wo auch die jüngeren Kinder beim Gemüseschneiden und Puddingrühren helfen, und endet nach dem Essen am schön gedeckten Tisch (mit Tischtuch, Blumen und Kerze) oft beim gemeinsamen Abwasch, den inzwischen auch unsere Teenager als Zeit zum Ratschen und Diskutieren schätzen. Als Auftakt oder Abschluss des „eigentlichen“ Essens ruft ein Tischgebet Gott als Spender alles Guten in Erinnerung – nicht nur der Nahrungsmittel, sondern auch unserer familiären Gemeinschaft. So, da bin ich mir sicher, erleben alle die Mahlzeiten als Kristallisationspunkte unseres Familienlebens, und die Kids werden diese Erfahrung als Schätze mitnehmen „ins Leben“.