Schon wieder ein Anruf aus der Schule: Max ist ausgerastet, weil ein Mitschüler „seinen“ Platz im Umkleideraum besetzt hatte. Wütend hat Max den Jungen angeschrien, getreten und seinen Turnbeutel an die Wand gepfeffert. Max’ Eltern kennen das – dass ihr Sohn wie von Sinnen um sich schlägt, Teller vom Tisch fegt und sogar Türen eintritt. Seine Mutter fühlt sich manchmal richtig bedroht …
Bis zu einem gewissen Alter gehört Gewalt noch zum normalen Verhalten von Kindern (> EB 12, Kleine Rowdys im Sandkasten). Doch spätestens im Kindergarten-Alter haben die meisten gelernt, aggressive Impulse zu kontrollieren und Konflikte gewaltfrei zu lösen. Und über dieses Alter ist Max doch schon längst hinaus! Was ist da schiefgelaufen?
Die populärste Erklärung: Max schlägt, weil in seiner Familie und / oder seinem Milieu Gewalt „normal“ ist. Kinder, die geschlagen und misshandelt werden, neigen selbst dazu, im Streit zuzuschlagen. Doch lässt diese einfache Erklärung viele betroffene Eltern ratlos zurück: Wir wissen doch, dass wir unser Kind weder schlagen noch seelisch schikanieren dürfen, und halten uns daran. Und trotzdem …
Gewalt wenden Kinder aber auch an,
Nicht zuletzt verbirgt sich hinter dem Drang von Kindern nach Kontrolle und Macht eine große Angst, anders zu kurz zu kommen. Das bibbernde Häschen verkleidet sich als brüllender Gorilla …
Henry (7) legt neuerdings großen Wert darauf, „cool ’rüberzukommen“ — die Klamotten, die Spiele, die Sprüche … Und bloß keine Abschiedsumarmung vor der Schule! Doch heute kommt er plötzlich zu mir in die Küche, greift mich — mitten im Kochen — fest um die Taille und sagt: „Jetzt brauche ich mal eine dicke Umarmung.“ Wie gut sich das anfühlt, mein Sohn so ganz nah bei mir!
Franziska, 32
Damit es so weit erst gar nicht kommt, brauchen Kinder ein familiäres Umfeld, in dem sie ein gutes Sozialverhalten entwickeln und lernen können, ihre Ziele ohne Gewalt anzusteuern. Dazu gehören
Bei Kindern wie Max, denen Gewalt schon zur Gewohnheit geworden ist, kommen diese Hilfen allerdings nicht mehr an. (Das gilt auch, wenn sie körperliche Ursachen hat, zum Beispiel bei bestimmten Formen des „Zappelphilipp-Syndroms“ ADHS.) Ihre Familien brauchen die professionelle Unterstützung einer Erziehungsberatung. Sie kann allen Beteiligten mit einem sozialen Kompetenz-, Empathietraining und / oder einer Familientherapie helfen, mehr Verständnis füreinander und für andere zu entwickeln und Alternativen zu gewalttätigem Verhalten einzuüben.