„Es lohnt sich nicht, Kinder zu erziehen“, behauptet ein Bonmot, „sie machen uns eh’ alles nach.“ Das beste Mittel, Kindern gute Manieren beizubringen, wäre demnach, sich selbst gut zu benehmen. Und dann einfach abzuwarten …
Bei Dreijährigen mag das noch angehen. Dass sie nicht jedes geschenkte Bonbon prompt mit einem Dankeschön quittieren, erscheint verzeihlich, sogar ihre Weigerung, entsprechenden Aufforderungen der Eltern nachzukommen; in der Autonomiephase lässt Kind sich ungern etwas vorschreiben.
Von Siebenjährigen allerdings können Eltern mehr erwarten als „Guten Tag“, „Bitte“ und „Danke“. Denn Höflichkeit erschöpft sich eben nicht in Anstandsregeln und -formeln, die ein Herr Knigge zu höfischen Zeiten zu Papier brachte. Gute Manieren wurzeln in der Einsicht, dass niemand allein ist auf der Welt und deshalb tun und lassen kann, was er oder sie gerade will. Sie zeigen: Ich billige anderen dieselbe Achtung und denselben Respekt zu, die ich für mich beanspruche. Ich nehme ihre Bedürfnisse wahr und komme ihnen entgegen. Das müssten Väter und Mütter ihren Kindern vorleben und im gegebenen Fall erklären.
Okay: Einseitige Rollenbilder der Art, dass „der Herr“ „der Dame“ die Tür aufhält oder in den Mantel hilft, wirken in Zeiten der Gleichberechtigung arg angestaubt. Nett ist es trotzdem – auch mit umgedrehten Geschlechterrollen. Erst recht gebietet die Höflichkeit, einem Vater beizuspringen, der auf der Treppe zur U-Bahn mit dem Kinderwagen kämpft. Oder einem Dreijährigen, der sich beim Klettern auf dem Spielplatz überschätzt hat. Und warum nicht auch der sportlich-fitten 18-Jährigen, der an der Supermarkt-Kasse eine Münze herunterfällt?
Verpflichtet ist dazu niemand. Aber es setzt Zeichen gegen die grassierende Rücksichtslosigkeit. Und auch Schulkinder merken bald, dass ein erleichtertes Lächeln oder ein dankbarer Blick den Tag sofort ein bisschen schöner machen.