Warum es Kindern so schwer fällt, sich bei sexueller Gewalt anzuvertrauen.
Erst ist die Tatperson nur ganz „normal“ nett und freundlich. Dann werden ihre Berührungen unangenehmer, die Zärtlichkeiten, die das Kind anfangs mochte, aufdringlicher. Das Kind spürt, dass etwas nicht stimmt, ist bestürzt und verwirrt. Aber noch hofft es, dass das seltsame Verhalten des Erwachsenen bald aufhört. Doch stattdessen geht es immer weiter, trotz der stummen Signale von Unwillen und Abwehr, die es aussendet.
Kinder erleben einen sexuellen Übergriff als extremes, überflutendes Ereignis, dem sie nicht ausweichen können, als eine seelische Verletzung (Trauma), die mit Angst, Erregung, Hilflosigkeit und oft auch mit körperlichen Schmerzen verbunden ist.
Viele Mädchen und Jungen wagen nicht, sich zu wehren, weil sie die Tatperson lieben und ihr vertrauen oder weil sie gelernt haben, dass sie Erwachsenen gehorchen müssen… Zudem reden die Tatpersonen ihnen Schuldgefühle ein: „Du willst das doch auch. Du hast dich ja nicht gewehrt!“ So geraten Kinder immer stärker in das Gefühl, selbst etwas falsch gemacht zu haben, die Schuld für die Übergriffe zu tragen. Sie schämen sich und trauen den eigenen Gefühlen nicht mehr. Vielleicht wollen sie auch ihre Eltern nicht belasten; das machen sich gerade Tatpersonen aus der Familie oder dem engsten Freundeskreis zunutze und erpressen ihre Opfer: „Du hast mich doch lieb. Wenn du etwas sagst, komme ich ins Gefängnis. Dann wird deine Mama krank vor Kummer, und du bist schuld.“
So leben die Kinder in ständiger Angst und Unsicherheit mit dem schrecklichen Geheimnis. Zumal die jüngeren oft kaum ausdrücken können, was sie erleben, und die älteren vielleicht aus Erfahrung fürchten, dass ihnen sowieso niemand glauben würde… Das einzige, was nach draußen dringt, sind versteckte, oft unbewusste Hilferufe, die hoffentlich jemand erkennt.