Seitdem mein Mann und ich uns einvernehmlich getrennt haben und er ausgezogen ist, klammert unsere Tochter Judith (5 Jahre) heftig. Oft lässt sie mich nicht einmal alleine zum Briefkasten gehen!
Judiths Reaktion ist keineswegs ungewöhnlich. In ihrem Alter ist sie kaum in der Lage, die Zusammenhänge Ihrer Trennung zu verstehen. Auch wenn die Trennung so einvernehmlich und friedlich wie eben möglich erfolgt ist und Sie und Ihr Ex-Mann sich noch so bemüht haben, Judith alles zu erklären und ihr Rückhalt zu geben - für Ihre Tochter bedeutet die Trennung im täglichen Leben vorerst nur: Papa ist plötzlich nicht mehr da! Er sitzt nicht mehr bei uns am Esstisch, liest mir beim Schlafengehen nicht mehr vor, tobt nicht mehr mit mir. Vieles ist jetzt anders als vorher; die wichtigste – und neben dem Kindergarten vielleicht einzige - Konstante aus Judiths Sicht sind Sie. Verständlich, dass Ihre Tochter unter diesen Umständen Angst bekommt, nach dem Papa auch noch die Mama zu verlieren! Deshalb klammert sie.
Das Entscheidende dabei ist: Judiths Angst entspringt nicht „logischem“ Nachdenken; dann ließe sie sich vielleicht durch Erklärungen und Zusicherungen beruhigen. Vielmehr geht es hier um inneres Erleben, um Gefühle. Und das bedeutet: Judith braucht im Moment und auf Sicht sehr viel Verständnis und eine sanfte Begleitung. Natürlich sollen Sie ihr immer wieder versichern: Ich bin immer für dich da und werde dich nicht verlassen. Auch wenn Sie selbst das für selbstverständlich und die ständige Wiederholung dieser Zusicherung deshalb für überflüssig halten: Judith tut es jedes Mal wieder gut, das zu hören. Viel wichtiger ist aber, dass sie es im Alltag spürt, auch bei dem Gang zum Briefkasten. Nur so, mit dem alltäglichen Erleben wird für sie allmählich die innere Sicherheit wachsen, dass Sie weiter für Ihre Tochter da sind und da bleiben. Aus Ihrer Sicht erfordert das vorerst viel Verständnis und viel Geduld.
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