Ich reagiere oft so gereizt auf meinen Sohn (drei Monate alt), dabei haben wir uns doch so auf unser erstes Kind gefreut. Manchmal werde ich richtig wütend auf ihn. Das macht mir Angst. Woher kommt das, und was kann ich dagegen tun?
Viele Eltern kennen solche Gefühle, besonders bei ihrem ersten Kind. Mehrere Dinge kommen dabei zusammen: Da sind die vielen neuen Aufgaben, die die Fürsorge für ein Baby mit sich bringt; als Neulinge in diesem Fach fühlen sich junge Mütter und Väter oft unsicher oder gar hilflos. Mache ich alles richtig? Ich verstehe nicht, was das Baby von mir will! Da ist die Rund-um-die-Uhr-Rufbereitschaft, die an ihren Kräften zehrt; Müdigkeit und Überforderung machen es schwer, Gelassenheit und Geduld zu wahren. Da ist auch ein Stück Enttäuschung: Wir haben uns das Leben mit dem Baby so schön ausgemalt und geben uns so viel Mühe – und trotzdem schreit das Kleine stundenlang! Selbst die Liebe zu Ihrem Sohn können diese Gefühle nicht einfach wegradieren!
Dazu kommt: Die Natur hat es so eingerichtet, dass ein schreiendes Baby bei Erwachsenen „Alarmstufe rot“ auslöst. Andere Geräusche können wir schon mal „ausblenden“, bei Babygeschrei geht das nicht. Unser Gehirn schüttet Stresshormone; umso panischer reagieren wir, wenn es uns nicht gelingt, die Ursache abzustellen.
In solchen Momenten brauchen Sie eine Notausstiegs-Strategie: Sie müssen Dampf ablassen, damit der Kessel in Ihrem Innern nicht explodiert und Ihr Kind dabei Schaden leidet. Am sichersten gelingt das durch räumliche Distanz. Legen Sie also, sobald Sie die Wut aufsteigen spüren, Ihr Baby in sein Bettchen oder den Laufstall, so dass es sich nichts tun kann, und gehen Sie aus dem Zimmer. Weitere Beruhigungsversuche würden vermutlich sowieso nichts mehr bringen und Ihre Wut nur überkochen lassen! Dann reagieren Sie sich ab: Pfeffern Sie ein Kissen gegen die Wand, laufen Sie ein paarmal die Treppe rauf und runter, rufen Sie Ihre beste Freundin an oder was immer sonst Sie beruhigt. Zu Ihrem Baby kehren Sie erst zurück, wenn Sie sicher sind: Jetzt habe ich mich wieder im Griff.
Genauso wichtig ist eine mittelfristige Strategie: Sorgen Sie gut für sich selbst! Denn hinter der Wut auf das Baby steckt meist auch das Gefühl, selbst zu kurz zu kommen. Das kleine Wesen hält Sie Tag und Nacht unter Strom, kennt keine Zeiten oder Stundenpläne; für Sie selbst, für die Zweisamkeit mit Ihrem Mann, für Familie und Freunde bleibt Ihnen keine Luft mehr. So einfache und „normale“ Dinge wie Einkaufen oder Arztbesuche erfordern neuerdings einen viel größeren Organisationsaufwand.
Suchen und akzeptieren Sie deshalb jede mögliche Hilfe – von den Großeltern, Freunden, Nachbarn oder bezahlten Babysittern. Denken Sie außerdem mal darüber nach, bei welchen typischen Gelegenheiten Sie die Wut auf Ihr Kind hochkommt – und wie Sie solche Situationen in Zukunft vielleicht vermeiden können. Dabei könnte Ihnen auch eine fachliche Beratung helfen; in vielen Städten gibt es inzwischen Stellen, die sich auf Eltern und Kinder mit Schrei-, Schlaf- und Fütterproblemen spezialisiert haben. Nur wenn es Ihnen selbst gut geht und Sie sich selbst Oasen der Erholung schaffen, können Sie auch gut für Ihren Sohn sorgen.
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