Annika, unsere Älteste (12), verändert sich gerade total. So schminkt sich zum Beispiel auffällig und zieht ganz kurze Röcke an, an anderen Tagen dagegen verhüllt sie sich in übergroßen Schlabberpullis. Ich finde das überhaupt nicht gut und mache mir Sorgen, wie andere Menschen darauf reagieren.
Annika ist gerade dabei, sich vom Mädchen zur jungen Frau zu entwickeln, und was Sie beschreiben, gehört zu den typischen Begleiterscheinungen der Pubertät. Für ihre Tochter verändert sich zurzeit vieles, sowohl in ihrem körperlichen Erscheinungsbild als auch in ihrem Gehirn, und mit all dem muss sie erst einmal klar kommen. Das führt zu einer großen emotionalen Unsicherheit einerseits und der Lust zum Ausprobieren andererseits. Bewusst oder unbewusst geht es dabei auch um Fragen wie: Wie weiblich bin ich? Darf und will ich es zeigen? Wie kann ich das? Oder soll es lieber keiner merken? Was bedeutet Frau sein heute?
Ganz klar: Mit Aufforderungen wie „Zieh‘ dich bitte anständig an!“ oder gar Vorwürfen wie „Musst du so schlampig ‘rumlaufen?“ helfen Sie Annika nicht weiter und riskieren sogar, dass sie taub wird für Ihre Sorgen. Auch der – berechtigte, aber bitte behutsame! – Hinweis auf die Außenwirkungen ihrer Experimente, dass nämlich zu kurze Röcke und zu viel Schminke bei Lehrern, Arbeitgebern oder gleichaltrigen Jungen unerwünschte Reaktionen zeitigen könnten, lässt Annikas eigentliche Fragen unbeantwortet. Zumal es Jugendlichen in diesem Alter angesichts der eigenen Gedanken- und Gefühlsturbulenzen schwer fällt, sich auch noch in andere Menschen hinein zu versetzen.
Was Ihre Tochter jetzt vor allem braucht, ist ein einfühlsames gemeinsames Nachdenken über Ihre Weiblichkeit und die Möglichkeiten, sie zu leben und auszudrücken. Anknüpfungspunkte dafür bieten im Idealfall Fragen, mit denen Annika zu Ihnen kommt, daneben manchmal auch „einschlägige“ Zeitungsmeldungen, Fernsehfilme (wie die bei Jugendlichen so beliebten Vorabend-Soaps) oder Bücher; und natürlich können und sollen Sie von sich aus das Thema ansprechen, wenn Annikas Verhalten oder Outfit Sie dazu herausfordert oder gar provoziert. Wichtig ist auf jeden Fall das Wie: Versuchen Sie Ihre Tochter möglichst nicht abzuwerten, auch nicht indirekt über ihre Vorbilder und Idole. Am besten reden Sie über sich selbst, Ihre Gefühle und Sorgen, aber auch eigene Erlebnisse und Erfahrungen. Je konkreter Sie dabei Ihren Standpunkt vertreten, umso leichter kann Annika sich darauf einlassen und mit Ihnen diskutieren. Wenn Annika zusätzlich in der Familie oder in deren Umfeld noch eine Patin oder eine andere Vertraute hat, die sich in solche Gespräche einbringen kann – umso besser!
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