Samstag, 12:52 Uhr

Mai 2015

... dann eben bei der Oma?

Immer wenn unsere Enkel (2 und 6) etwas wollen, was ihre Eltern ihnen nicht erlauben, kommen sie zu mir. Mir fällt es oft sehr schwer, „Nein“ zu sagen; hin und wieder habe ich mir damit auch schon den Unmut meiner Familie zugezogen. Was kann ich tun?

Dieser Herausforderung sehen sich fast alle Familien, in denen mehr als zwei Generationen zusammen leben, früher oder später einmal gegenüber. Und es lohnt sich, sie unter verschiedenen Gesichtspunkten etwas genauer anzuschauen.

  • … aus der persönlichen Perspektive: Offensichtlich fällt es Ihnen prinzipiell schwer, „Nein“ zu sagen. Sein Gegenüber zu enttäuschen oder zu frustrieren, ihm jedenfalls nicht das zu geben, was er möchte, das erfordert schon eine gewisse Standhaftigkeit. Gerade gegenüber Kindern, die darauf oft mit Schmollen über Weinen bis hin zu lautstarken Wutausbrüchen reagieren, und erst recht gegenüber den eigenen Enkelkindern, die Ihnen ja am Herzen liegen und denen Sie vermutlich am liebsten jeden Wunsch erfüllen möchten. Andererseits brauchen Kinder wie Erwachsene die Fähigkeit, „Nein“ zu sagen, aber auch, um sich selbst abgrenzen zu können. In einem „Nein“ steckt also auch eine wichtige Schutzfunktion für sich selbst, die Wahrung der eigenen Grenzen, Befindlichkeiten und der eigenen Persönlichkeit. Und in diesem konkreten Fall: für den Schutz Ihrer Beziehung zu den Eltern der Kleinen. Sich das bewusst zu machen, kann das „Nein“-Sagen erleichtern; die „negative“ Absage an die Enkel ist eben zugleich auch eine „positive“ Bestätigung der gemeinsamen Erziehungsverantwortung mit den Eltern.
  • … aus der pädagogischen Perspektive: Für Kinder ist es wichtig zu lernen, mit Absagen, Frustrationen und Enttäuschungen umzugehen und auch unerfreuliche Situationen auszuhalten. Egal ob es sich um ein neues Spielzeugauto, ein Eis, Fernsehen oder was auch immer handelt: Eine gewisse Frustrationstoleranz zu entwickeln, ist eine wichtige Lektion „fürs Leben“. Besser, sie machen diese Erfahrungen zunächst einmal im vertrauten Rahmen ihrer Familie und nicht erst auf dem Spielplatz, im Kindergarten oder in der Schule; dann können sie innerlich gestärkt in weitere Lebensbereiche gehen. Außerdem können Sie mit Ihrem „Nein“ für Ihre Enkel zum Vorbild werden; es zeigt ihnen, dass man auch befreundeten und geliebten Menschen gegenüber nicht zu allem „Ja und Amen“ sagen muss, sondern eigene Standpunkte und Anliegen behaupten und dafür Enttäuschungen riskieren darf. Letztlich wollen Sie ja auch starke Enkel, die zu unguten Angeboten oder Einladungen „Nein“ sagen können!
  • … aus der praktischen Perspektive: Das alles bedeutet nun nicht, dass Sie prinzipiell immer und überall „Nein“ sagen müssen, wo die Eltern das tun. Als Großeltern haben Sie eine ganz andere Erziehungsverantwortung, stehen, bildlich gesprochen, etwas weiter „draußen“. Deshalb dürfen Sie in manchen Dingen getrost großzügiger sein; das gilt vor allem, wenn das „Nein“ der Eltern nicht auf erzieherischen Überlegungen beruht, sondern nur pragmatisch auf einem Mangel an Zeit und/oder finanziellen Mitteln. Allerdings würde ich das immer in Absprache mit den Eltern tun, damit erst gar nicht der Eindruck aufkommt, Sie als Großeltern wollten die Eltern „ausstechen“ (bei den Eltern) oder die Kinder könnten Sie gegeneinander ausspielen (bei den Kindern). Es gibt sicher viele Themen, bei denen Sie ähnlich denken; bei den anderen ist es wichtig, die Haltung der anderen Seite zu kennen, gemeinsam einen Weg zu finden oder notfalls auch einmal mit Rücksicht aufeinander zurückzustecken.

In unserer Rubrik Familie von A-Z finden Sie weitere interessante Artikel und Infos zu dem Thema Entwicklung des Kindes.

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