Seit neuestem ist Marian (gerade 2 geworden) nur noch auf Trotz gebürstet; die ganze Familienstimmung droht zu kippen. Ich kann mich gar nicht erinnern, ob Lena (jetzt 7) auch so starke Wutanfälle hatte.
Die sogenannte Trotzphase stellt alle Beteiligten wirklich vor eine Herausforderung. Heute sprechen viele Fachleute allerdings lieber von einer „Autonomiephase“, denn genau darum geht es den Kindern. In Marians Alter haben sie schon viel begriffen und verstanden und möchten nun auch ihre Persönlichkeit mit in das Familienleben einbringen; ihr Wunsch nach Teilhabe und Nachahmung der „Großen“ ist den Kindern so stark, dass er sich nur um den Preis großer Frustration unterdrücken lässt. Dazu kommt, dass ihre Vorstellungen von Ordnungen und Abläufen in der Familie (noch) sehr eng sind; wenn andere sich nicht daran halten, gerät ihr gerade gewonnenes Weltbild ins Wanken, und entsprechend heftig reagieren sie.
Dafür gibt es viele alltägliche Beispiele – aus Sicht von Erwachsenen oft Nichtigkeiten, die für die Kinder aber die Welt bedeuten. Beispiel: Ein Zweijähriger sieht beim Einkaufen, wie sein Vater Äpfel in den Einkaufswagen packt, und macht das seinerseits freudig nach. Doch der Vater kann die doppelte Menge nicht brauchen, außerdem hat der Sohn eine falsche Sorte erwischt, die alle in der Familie zu sauer finden. Also versucht er seinem Sohn liebevoll zu erklären, warum er die Äpfel wieder ins Regal zurücklegen möchte – vergeblich; der Wutanfall ist nicht zu verhindern. Je nach Tagesform und Temperament der Kinder kommt es in solchen Momenten zu einem regelechten „Festplattenabsturz“; was immer ihre Eltern versuchen, die Kleinen reagieren auf gar nichts mehr, werfen sich schreiend und weinend auf den Boden, verhalten sich wie eine Rakete ohne Bremse und Lenkung. Die Erwachsenen können nur noch warten, bis der Treibstoff ausgebrannt ist. Anders mit Frustrationen umzugehen, müssen Kinder erst noch lernen.
Umso mehr kommt es darauf an, dass die Eltern verstehen: Den Kindern geht es dabei nicht um einen Machtkampf oder einen Angriff auf die Autorität der Erwachsenen; sie sind noch gar nicht in der Lage abzuschätzen, wie ihr Verhalten auf ihr Gegenüber wirkt. Ihre Wutausbrüche sind vielmehr eine Ich-Botschaft: Ich fühle mich überfordert, verstehe die Welt nicht mehr. Gut, wenn Eltern sie nicht „persönlich“ nehmen, bei den Kindern bleiben und sie liebevoll trösten, wenn der Sturm abgeflaut ist. Erst dann haben Erklärungen und Ausprobieren Aussicht anzukommen: Wie schmeckt der eine Apfel, wie der andere?
Versuchen Sie also, auch wenn’s bei einem akuten Trotzausbruch oft schwer fällt, Marians Autonomiephase positiv zu sehen: Ihr Sohn macht gerade wieder einen großen Schritt seiner Entwicklung. Er sucht seinen eigenen Platz im Familienalltag, den er mit seinen Möglichkeiten mitgestalten will; sie helfen ihm dabei am besten, indem Sie ihn möglichst viel alleine machen und entscheiden lassen – Versuch und Irrtum eingeschlossen.
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