Viele Mütter in der Krabbelgruppe, die ich mit Pia (8 Monate) besuche, haben für ihre Kinder noch andere „Angebote“ gebucht, zum Beispiel eine englisch-sprachige Spielgruppe, eine Musikgruppe oder Babyschwimmen. Sie meinen, man müsse so früh anfangen, um ein Kind optimal zu fördern – stimmt das?
Die meisten Babys in Pias Alter entdecken gerade viele neue Möglichkeiten, sich fortzubewegen – rollend, robbend, auf dem Po rutschend oder krabbelnd – und trainieren das mit Begeisterung und Ausdauer. Denn damit erweitert sich ihr Aktionsradius enorm; sie können einen weggerollten Ball wieder unter dem Tisch hervorholen, nachschauen, wem Mama gerade die Haustür geöffnet hat und alles Mögliche in der Wohnung auf eigene Faust näher in Augenschein nehmen. Dabei helfen ihnen auch Fortschritte in ihrer Feinmotorik; mit dem „Zangengriff“ von Daumen und Zeigefinger können sie jetzt kleine Gegenstände packen und untersuchen. Und mit dem ausgestreckten Zeigefinger machen sie Erwachsenen unmissverständlich klar, was sie gerne haben möchten. In einem Satz: Das Interesse der Kinder an ihrer Umwelt nimmt in diesem Alter rasant zu.
Viele lassen sich deshalb auf „Angebote“, wie sie Ihnen begegnen, gerne ein. Sie reagieren sehr auf Musik, klatschen und bewegen sich im Rhythmus mit oder finden es toll, im Wasser zu plantschen. Allerdings beginnt um den achten Lebensmonat herum bei vielen Kindern auch die „Fremdelphase“, sie unterscheiden jetzt ganz deutlich zwischen vertrauten und fremden Menschen und reagieren auf Unbekanntes - Menschen und Situationen - oft mit heftigem Weinen und deutlichen Abwehrgesten. Für diese Kinder bedeuten die gleichen Angebote deshalb (vorerst?) eher Stress und Überforderung.
Ob Pia ein zusätzliches Angebot gut tut, hängt also sehr von ihrem ganz individuellen Temperament, von ihren Vorerfahrungen Zuhause und natürlich der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Angebots ab. Mag Pia es lieber sehr ruhig und gleichförmig? Oder ist sie Trubel gewöhnt, weil vielleicht schon ältere Geschwister da sind? Hat sie auch sonst regelmäßig Kontakte mit anderen Kindern und Erwachsenen? Wie verhält sie sich gegenüber „neuen“ Menschen und Erfahrungen? Je nach dem können Sie selbst am besten einschätzen, was für Pia passt und was nicht.
Denken Sie dabei ruhig auch an Ihre eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten. Haben Sie selbst ein Bedürfnis nach Austausch mit anderen Eltern und nutzen deshalb gerne Eltern-Kind-Angebote? Passt es in Ihren (und Pias) Tagesrhythmus? Singen und musizieren Sie gern? Fühlen Sie sich wohl im Wasser?
Lassen Sie sich aber bitte nicht von einer geschäftstüchtigen Bildungswerbung unter Druck setzen. Beispiel Früh-Englisch: Experten wissen zwar, dass frühes Fremdsprachen-Lernen Kindern viel leichter fällt als im Schulalter – vorausgesetzt, sie können über lange Zeit hinweg kontinuierlich im Alltag in die „andere“ Sprache eintauchen. Die englischsprachige Spielgruppe mag Pia deshalb durchaus Spaß machen, ihre späteren Englisch-Noten werden davon aber nicht profitieren.
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