Unser Sohn Tom (6) wird immer frecher. Oft hört er nicht auf uns und beruft sich zur Rechtfertigung darauf: „Bei Oma und Opa darf ich das aber!“ Das stört uns umso mehr, als seine Schwester Annika (3) ihm neuerdings nacheifert...
Aus Toms Sicht ist sein Verhalten nur zu verständlich. Er vergleicht, wo was erlaubt ist und was nicht, und versucht, die sich selbst das Beste und Angenehmste herauszuholen. Woher soll er auch wissen, dass das Leben hier (bei Ihnen zu Hause) unter anderen Bedingungen abläuft als dort (bei den Großeltern) und demzufolge auch andere Regeln erfordert?
Es liegt also an Ihnen, ihm die Unterschiede klar zu machen. Etwa: dass die Großeltern mehr Platz in der Wohnung haben und/oder weniger Rücksicht auf lärmempfindliche Nachbarn nehmen müssen. Oder: dass Oma und Opa mehr Zeit und Ruhe haben, während Sie selbst öfter durch Beruf und andere Aufgaben „geschlaucht“ und weniger belastbar sind. Oder: dass eine Fernsehsendung am Tag genug ist und dass die „Kiste“ zu Hause deshalb aus bleibt, wenn Tom seine TV-Ration schon bei den Großeltern genossen hat.
Der zweite Schritt wäre dann, die Regeln für das Zusammenleben in der eigenen Wohnung zu definieren. Am besten überlegen Sie deshalb zunächst einmal in Ruhe, was Ihnen als Eltern wichtig ist und warum. Zum Beispiel beim Essen: Ihnen selbst sind die gemeinsamen Mahlzeiten vermutlich wichtig als „quality time“, als Zeit für den Austausch in der Familie, in der alle sich als zugehörig erleben und Anerkennung spüren (gerade auch die Köchin oder der Koch). Was heißt das konkret? Sollen alle am Tisch sitzen bleiben? Wie lange? Darf Spielzeug mit auf den Tisch? Wo sind die Handys der Erwachsenen? Gehen wir ran, wenn das Telefon klingelt? Was ist mit der Zeitung beim Frühstück? Und so weiter.
Je bewusster Sie sich selbst Ihrer Maßstäbe und Wünsche sind, umso eher wird es Ihnen gelingen, Tom die entsprechenden Regeln zu vermitteln. Wichtig dabei ist, dass sie fair sind, also Tom (und Annika) nicht überfordern und auch für die Erwachsenen gelten, verständlich, also kurz und prägnant formuliert sind, von der Anzahl her überschaubar sind, vor allem in der Anfangszeit ausnahmslos gelten.
Und, last not least: Es muss klar sein, dass jede Überschreitung der Regeln Folgen hat. Zum Beispiel: Wer vom Tisch aufsteht, hat die Mahlzeit beendet – und es gibt nichts „für den kleinen Hunger zwischendurch“. Oder: Wer Spiel- und andere Sachen achtlos herumliegen lässt, riskiert sie nicht wiederzufinden…
Solche Regeln und die möglichen Konsequenzen angemessen zu setzen, ist für Eltern durchaus eine Herausforderung. Denn natürlich sollen sie Kinder nicht unterdrücken oder beschämen. Elternkurse wie zum Beispiel KESS-erziehen liefern dafür gute Anregungen. Im übrigen spricht nichts dagegen, ein sechsjähriges Kind wie Tom an Ihren Überlegungen zu beteiligen. Je klarer und transparenter Sie dabei vorgehen, desto eher wird Tom die Ergebnisse mittragen.
Auch die Großeltern würde ich auf Ihre Unzufriedenheit mit der derzeitigen Entwicklung ansprechen und an der Suche nach Auswegen beteiligen. Sie vermeiden damit, dass sie Ihre Bemühungen, vielleicht ohne es zu merken oder gar zu wollen, unbemerkt „sabotieren“. Aber bitte ohne Vorwürfe oder Ärger, damit Sie am Ende nicht noch eine zweite „Front“ eröffnen!
In unserer Rubrik Familie von A-Z finden Sie weitere interessante Artikel und Infos zu dem Thema Entwicklung des Kindes.