Die Lust unserer „Großen“ – Lena ist 12 - auf die gewohnten Familienausflüge am Wochenende sinkt zusehends Richtung null; am liebsten möchte sie nur noch „chillen“. Ihre Schwester Anna (5) findet das sehr schade, und wir Eltern auch…
Die nächstliegene Lösung wäre natürlich, sich mit den beiden Mädchen zusammenzusetzen und gemeinsam zu überlegen, welche Unternehmungen sie reizen könnten. Die Interessen ändern sich nun einmal mit den Jahren. Allerdings vermute ich, dass das eigentliche Problem tiefer liegt.
Ganz offensichtlich fängt Lena an, sich nach und nach von der Familie abzunabeln und „ihr eigenes Leben“ zu führen. Dieses Bedürfnis gehört genauso zur Pubertät wie die Vorliebe fürs „Chillen“. In diesem Alter fühlen sich die Jugendlichen mit Ansprüchen von allen möglichen Seiten konfrontiert: Die Erwartungen der Eltern an „Familienleben“ kommen da in eine Reihe mit den Anforderungen der Schule, aus dem Freundeskreis und von Freizeitaktivitäten wie Sport, Musik und anderen, für die sie sich bisher schon engagiert haben. Und nicht zu vergessen: Viele Mädchen und Jungen machen jetzt ihre ersten Erfahrungen mit „festen“ Freundinnen oder Freunden! Gleichzeitig mit der Notwendigkeit, angesichts dieser Herausforderungen neue Prioritäten zu setzen, läuft im Gehirn von Jugendlichen eine riesiger Umbau ab, bei dem bis zu 50.000 Synapsen neu gebildet und vernetzt werden. Umso schneller geraten sie unter „Stress“, und der Wunsch nach Ruhe nimmt stark zu.
Ihnen als Eltern bleibt da eigentlich nur eine Möglichkeit: gelassen bleiben, akzeptieren, dass Kinder nun einmal groß und „flügge“ werden und dass Familienleben sich deshalb ständig verändern muss.
Laden Sie Lena also immer wieder ein, bei ihren familiären Aktivitäten mitzumachen, drücken Sie auch ruhig Ihr Bedauern aus, wenn sie ablehnt, aber setzen Sie sie damit nicht unter Druck und machen Sie ihr kein schlechtes Gewissen. Sowohl Lena selbst auf dem Weg zu einer erwachsenen Frau als auch Ihrer Beziehung zu ihr tut es besser, wenn Sie „auf Augenhöhe“ mit ihr sprechen und ihre wachsende Selbstständigkeit respektieren. So kann (und muss) sie lernen, eigene Entscheidungen zu treffen und mit den Konsequenzen umzugehen.
Wahrscheinlich wird das auch dazu führen, dass Sie auch als Dreiergruppe mit Anna nicht einfach so weitermachen wie bisher, sondern den einen oder anderen neuen Akzent setzen. Und Sie werden spüren, dass – bei allem Bedauern, dass Lena nicht mehr regelmäßig dabei ist – die neue Situation auch neue Chancen für alle Beteiligten und das Familienleben insgesamt eröffnet.
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