Sonntag, 02:27 Uhr

November 2020

Ich muss meinem Kind alles zehnmal sagen…

Ich muss meinem Kind alles zehnmal sagen…
Foto©Melissa Varoy / istockphoto.com

Anton, unser mittlerer Sohn, ist gerade 5 Jahre alt geworden. In letzter Zeit habe ich oft das Gefühl, dass ich ihm alles zehnmal sagen muss, bis es endlich bei ihm ankommt. Mittlerweile haben wir deswegen sehr schnell Auseinandersetzungen. Was kann ich tun?

Sandra, 37 Jahre 

Zunächst einmal: Mit dieser Situation stehen Sie nicht alleine da! Viele Eltern kennen das. Wichtig ist, das Verhalten Ihres Kindes nicht als böse Absicht oder schlechte Charaktereigenschaft zu sehen. Kinder nehmen die Welt auf ihre eigene Art wahr. Und so dringen „Signale“ der Eltern manchmal gar nicht zu ihnen durch. Dies kann, neben organischen Ursachen, wie etwa einem schlechten Gehör, viele verschiedene Gründe haben. Dazu einige Beispiele.  

Mein Sohn reagiert nicht, wenn ich ihn anspreche

Anton spielt im Kinderzimmer und ist ganz versunken in seine Dinosaurier. Sie wollen gleich mit ihm die Wohnung verlassen, schauen in sein Zimmer und sagen: „Wir wollen los, zieh dich bitte an.“ Sie haben den Eindruck, dass Anton Sie gehört hat. Denn: er hat Sie angeguckt und kurz genickt. Trotzdem kommt er nicht.  

Was ist los, wenn mein Kind nicht tut, worum ich bitte?

Es kann sein, dass Anton Sie zwar gesehen und gehört hat, aber so in sein Spiel vertieft ist, dass der Inhalt Ihrer Aufforderung gar nicht bei ihm angekommen ist. Das kann sogar mehrmals hintereinander vorkommen.  

Was können Sie tun, damit Anton reagiert? Es lohnt sich, direkt zu ihm ins Kinderzimmer zu gehen, eine Hand auf seine Schulter zu legen, ihm in die Augen zu gucken und darauf zu achten, dass er sein Spiel - auch gedanklich - unterbricht. Dann können Sie langsam zu ihm sagen: „Anton, wir wollen los. Komm bitte raus in den Flur und zieh dir deine blaue Jacke an.“ So können Sie sicher sein, von ihm wahrgenommen zu werden. Durch Ihre direkte Handlungsanweisung: „in den Flur, die blaue Jacke“ hat Anton ein inneres Bild vor Augen, was er jetzt tun soll und was nun ansteht.  

„Denken Sie jetzt nicht an einen blauen Elefanten“

Ein anderes Beispiel: Anton hüpft fröhlich auf dem Wohnzimmersofa herum. Er schmeißt die Kissen auf den Fußboden und springt dann immer wieder zwischen Sofa und Kissenhaufen hin und her. Sie sagen: „Anton, hör auf zu hüpfen!“ Doch Anton reagiert nicht.  

Woran kann das liegen? Auch hier geht es wieder um innere Bilder, die Ihr Sohn vor Augen hat. Bei allen Aufforderungen die ein „Nein“, ein „nicht“, ein „kein“ oder ein „aufhören“ enthalten, müssen Kinder sich zunächst die Situation vorstellen und sie dann sozusagen gedanklich ‚löschen‘. Dazu gibt es ein berühmtes Beispiel. Wenn ich Sie nun bitte: „Denken Sie jetzt nicht an einen blauen Elefanten“, so entsteht er gerade dadurch vor Ihrem mentalen Auge.  

Zurück zu unserem Sofa-Beispiel. Auch hier hilft eine klare Aufforderung, die ausdrückt, worum es Ihnen geht. Beschreiben Sie genau, was Ihr Sohn tun soll. Gerade für jüngere Kinder macht es das leichter. So könnten Sie beispielsweise sagen: „Anton, komm bitte herunter vom Sofa und leg die Kissen wieder hinauf.“  

Mutter- und vatertaube Kinder

Bei all dem geht es auch darum, möglichst wenig (überflüssige) Worte zu machen. Rudolf Dreikurs sagte einmal, manche Kinder würden mutter- bzw. vatertaub: Sie hören zwar die Stimmen ihrer Eltern, achten aber nicht mehr auf den Inhalt des Gesagten. Ellenlange Erklärungen helfen Kindern in Antons Alter nicht weiter. Das bedeutet auch: Manchmal ist es sinnvoller zu handeln als viel zu erklären.
Kommen wir dazu noch einmal zu dem Beispiel mit den Dinosauriern. Eine Alternative wäre: Sie gehen direkt mit Antons blauer Jacke in der Hand ins Kinderzimmer und sagen ihm kurz, was nun ansteht. Bitte denken Sie daran, dass es natürlich auch etwas Zeit braucht, damit Ihr Sohn sich innerlich umstellen kann.  

Checkliste: So klappt es besser

Kurz auf den Punkt gebracht: Wenn Sie Ihr Kind um etwas bitten wollen, ist es hilfreich  

  • darauf zu achten, dass Ihr Kind Sie auch wirklich wahrnimmt
  • kurz und konkret zu beschreiben, um was Sie Ihr Kind bitten oder was Sie von ihm erwarten - und dabei Wörter wie „nicht“ und „kein“ zu vermeiden
  • weniger Worte zu machen und stattdessen zu handeln  
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