Unser Sohn Leon ist 6 Jahre alt und hat eine Entwicklungsstörung (Autismus-Spektrum-Störung). Er braucht klare Strukturen, einen geregelten Tagesablauf und hat eingeschränkte Interessen. Er besucht eine Förderschule und eine heilpädagogische Tagesstätte. Die Fachkräfte erwarten von uns, dass wir zuhause mehr von ihm fordern, z.B. vielfältigere Freizeitaktivitäten und mehr Mithilfe im Haushalt. Wir haben Angst, dass er damit überfordert ist oder die Situation daheim wieder eskaliert. Können wir ihm das überhaupt zumuten? (Manuela, 38)
Zu viel Unterstützung ist für Kinder mit Behinderung kein Vorteil – und auch nicht wünschenswert. Im Sinne der (Chancen-)Gerechtigkeit und Inklusion sollen sie weder benachteiligt noch übervorteilt werden. Schade wäre es daher, wenn Sie Ihren Sohn aus gut gemeinten Gründen zu viel „schonen“. Damit nehmen Sie ihm wichtige Entwicklungsmöglichkeiten. Vielleicht kann Leon aufgrund seiner Behinderung weniger im Haushalt mithelfen. Trotzdem ist es wichtig, ihm kleine Aufgaben zu übertragen und ihn entsprechend seines Entwicklungsstands einzubeziehen. So schaffen Sie gute Voraussetzungen für ein selbstständiges Leben Ihres Kindes!
Es lohnt sich, die Aufgaben, mit denen Ihr Sohn betraut ist, regelmäßig in den Blick zu nehmen und Regelungen zu überprüfen. Sprechen Sie darüber auch mit den Fachkräften. Denn: oftmals zeigt ein Kind in der Einrichtung andere Verhaltensweisen als zuhause. Vielleicht übernimmt es dort den Küchendienst oder eine andere Tätigkeit. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt und gut zu überlegen, ob Sie das daheim in gleicher Weise verlangen sollten.
Kinder mit Behinderung haben einen höheren Unterstützungsbedarf. Daher sind sie oftmals daran gewöhnt, dass ihre Eltern ihnen viel helfen. Wägen Sie ab und tauschen Sie sich mit den Fachkräften darüber aus, was Sie Ihrem Sohn zumuten können und wo seine Grenzen aktuell liegen. Oder ob es vielleicht für ihn lediglich bequemer ist, keine neuen Aufgaben oder Freizeitaktivitäten auszuprobieren. Im Gespräch mit den Fachkräften können Sie Ihre Bedenken mitteilen, Fragen stellen und gemeinsam überlegen, welche Schritte möglich sind. Vielleicht wird Ihnen dabei auch deutlich, welche Wünsche für Leons Entwicklung hinter den Forderungen der Fachkräfte stehen.
Fragen, die Sie als Eltern unterstützen können:
Womöglich gibt es kleine Veränderungen, die Sie Ihrem Sohn zutrauen? – Dann können Sie ihn schrittweise dabei unterstützen und ermutigen, sich auf Neues einzulassen. So geben Sie Ihrem Kind die Chance, weitere Entwicklungsschritte zu gehen und Sie mit seinen Fähigkeiten zu überraschen.
Dr. Sandra Mirbek
Heilpädagogin, Motologin, Systemische Beraterin und Dozentin an verschiedenen Hochschulen
„BeKoVe“ steht für „Beratungsstelle für Kommunikation und Verhalten“. Das Angebot ist für Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus dem Autismus-Spektrum und/oder mit geistiger bzw. mehrfacher Behinderung, die in ihrer Kommunikation beeinträchtigt sind und herausfordernde Verhaltensweisen zeigen. Wir beraten auch deren Familie, Kindergarten, Schule, Wohneinrichtung und Arbeitsplatz.
Claudio Castañeda - ein Mitarbeiter von der BeKoVe – stellt auf seinem Youtubekanal Praxisideen zu den Themen Unterstützte Kommunikation (UK), Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen, dem TEACCH-Ansatz und Autismus vor.
Wo Eltern von behinderten Kindern vor Ort Hilfe finden, wissen die Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung und die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe.
Darüber hinaus bietet das Projekt INTAKT des Familienbundes der Deutschen Katholiken in der Diözese Würzburg e.V. verständliche Informationen und bringt Eltern über Forum und Chat miteinander in Kontakt.
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